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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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dadurch wurde alles nur noch anheimelnder. Viele der Lotosbewohner sorgten noch für das Wohlbefinden der Gäste, während andere sich zuletzt zurückgezogen hatten, zweifellos in ihre hübschen, gemütlichen Häuser.
    Azador entwand sich den langen Gliedmaßen einer dunkelhaarigen, bildschönen jungen Frau und setzte sich auf. Die Frau protestierte schläfrig und versuchte ihn wieder zu sich herunterzuziehen, aber Azador schien innerlich mit etwas beschäftigt zu sein.
    »Ionas«, sagte er. »Mein Freund Ionas.«
    Paul blickte ihn begriffsstutzig an, ehe ihm einfiel, daß dies der Name war, den er sich selbst gegeben hatte. Er lachte – es war lustig, daß Azador ihn so nannte.
    Azador wedelte mit der Hand und versuchte sich trotz der streichelnden Finger der Frau zu konzentrieren. »Hör zu«, sagte er. »Du weißt es nicht, aber ich bin ein sehr schlauer Mann.«
    Paul hatte keine Ahnung, was er damit meinte, aber es war unterhaltsam, der Stimme seines Freundes zu lauschen. Das leicht stockende Englisch klang genauso, wie ein Azador reden mußte.
    »Nein, hör auf zu lachen«, sagte Azador. »Die Bruderschaft, diese Schweine – ich bin der einzige Mensch, der ihnen je entkommen ist.«
    Verdutzt versuchte Paul sich zu erinnern, wer diese Bruderschaft sein mochte, aber er fühlte sich so wohl, daß es ihm als Zeitverschwendung erschien, allzu lange nachzudenken. »Du bist … entkommen …?« brachte er schließlich heraus. »Wem? Dieser Frau? Mit dem Zigarettenaffen und dem Feuerzeug?« Irgend etwas stimmte an dem Satz nicht, aber er kam nicht darauf, was.
    »Nein, der nicht, die Frau ist unwichtig. Keine Bange, ich werde sie bald finden und mir mein Eigentum zurückholen.« Azador winkte ab. »Ich rede von der Bruderschaft, den Männern, denen diese Welt hier gehört und alle andern.«
    »Die Bruderschaft.« Paul nickte ernst und bedächtig. Er erinnerte sich jetzt, oder meinte es wenigstens. Ein Mann namens Nandi hatte ihm davon erzählt. Nandi … die Bruderschaft … Etwas an dem Thema bedrängte ihn, aber er schob es sanft beiseite. Der große elfenbeinweiße Mond, der hinter einem dünnen Wolkenschleier über den Himmel glitt, war so wunderschön, daß Paul kurzzeitig vergaß, Azador zuzuhören.
    »… Sie benutzen nicht bloß die paar Kinder, die sie gestohlen haben«, sagte Azador gerade, als der Mond hinter einer dickeren Wolkenbank verschwand und Pauls Aufmerksamkeit zurückkehrte.
    »Von wem sprichst du?«
    »Von den Gralsleuten. Der Bruderschaft. Komisch, wie weit weg das jetzt alles ist. Dabei kam es mir so wichtig vor.« Azador legte der dunkelhaarigen Frau die Hand auf die Stirn. Sie führte die Hand an den Mund und küßte sie, doch als auch das zu nichts führte, schlief sie wieder zusammengekuschelt neben ihm ein. »Die Roma haben sie sich natürlich als erste geholt.«
    »Die Roma …«
    »Zigeuner. Meine Leute.«
    »Und als erste wofür?« Es war nett, sich mit Azador zu unterhalten, sinnierte Paul, aber zu schlafen wäre auch ganz schön.
    »Für ihre Maschinen, ihre Ewigleben-Maschinen.« Azador lächelte, aber ein wenig traurig. »Immer trifft es die Roma, wen sonst? Niemand mag uns. Nur hier ist das anders. Hier auf dieser Insel sind alle freundlich, aber sonst …« Er driftete einen Moment lang ab, dann riß er sich mit einem Ruck aus seinen Träumen heraus. Auch Paul versuchte sich zu konzentrieren, obwohl er nicht recht einsah, wieso Azadors Worte wichtiger sein sollten als die nächtlichen Vögel und das ferne Rauschen des Meeres. »Jedenfalls haben sie sich unsere Kleinen geholt. Manche verschwanden, manche wurden geraubt, manche … ach Gott, da stellten die Eltern sich blind und sagten sich, sie hätten zwar nie wieder von ihnen gehört, aber da das Geld von den Firmen weiterfloß, müßten ihre Kinder gesund und wohlauf sein und ihre Arbeit zur Zufriedenheit machen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Sie benutzen die Kinder, Ionas. Dieses Netzwerk, es wird mit den Gehirnen von Kindern betrieben. Tausende haben sie gestohlen, so wie meine Leute, und viele tausend andere haben sie krank gemacht und kontrollieren sie mit ihren Maschinen. Und dann sind da noch die Millionen Ungeborenen.«
    »Ich verstehe immer noch nicht.« Er war fast böse auf Azador, daß dieser ihn zu denken zwang. »Wovon redest du?«
    »Aber mich konnten sie nicht festhalten – Azador ist ihnen entkommen.« Der Zigeuner schien Pauls Anwesenheit beinahe vergessen zu haben. »Seit zwei Jahren streife ich frei durch ihr

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