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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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mehr Ausgänge gibt.« Kaum hatte sie das ausgesprochen, war sie überzeugt, daß sie recht hatte.
    »Das heißt … das heißt, wir müssen die ganzen Gebäude noch mal durchschauen?« Florimel zog ein finsteres Gesicht, doch sie überlegte. »Alle Stockwerke, die wir uns geschenkt haben?«
    »Nein.« Bruder Factum Quintus stand auf, und in seinen Fischaugen strahlte das Feuer der Begeisterung. »Nein, wenn du recht hast, benutzt er einen der Türme mit guter Aussicht ringsherum als Beobachtungsposten – vielleicht um nach Banditen Ausschau zu halten oder nach Suchern aus dem Haus weiter unten. Ich würde auf den Hugolinusturm tippen.«
    »Welcher ist das?« Renie war schon dabei, ihre Waffen aufzusammeln, ihre Tischbeinkeule und ihren Vorhangstangenspeer.
    »Erinnerst du dich an den runden Turm? Da haben wir gesehen, daß jemand im obersten Raum gewesen war, vielleicht sogar kürzlich, hatte ich den Eindruck, aber da nichts auf einen richtigen Aufenthalt hindeutete, sind wir wieder umgekehrt.«
    »Ich erinnere mich, ja.«
    »Ein paar Stockwerke tiefer war ein Treppenabsatz, und wir sind dran vorbeigegangen, den Spuren auf den Stufen hinterher. Die Fenster waren herausgeschlagen, und er war mit Laub bedeckt.«
    Die Stelle war Renie noch gut in Erinnerung. Factum Quintus’ bekümmerte und empörte Miene angesichts der allgemeinen Verwahrlosung war beinahe komisch gewesen. »Aber von dem Treppenabsatz gingen doch keine Türen ab, oder?«
    »Nein«, sagte Florimel, die sich ebenfalls erhoben hatte, »aber da hingen Wandteppiche, fällt mir jetzt ein. Manche waren ganz entfärbt vom Regen, der durch die Fenster hereinkommt.«
    »Stimmt. Nichts wie hin. Mein Gott, ich hoffe, wir kommen nicht zu spät.«
    Als T4b ihr auf die Beine half, jammerte Emily 22813: »Aber ich dachte, wir wollten uns ausruhen!«
     
    Renie blieb im Stockwerk vor dem Treppenabsatz stehen. »Emily«, flüsterte sie, »du und Factum Quintus haltet euch hinten, weil ihr keine Waffen habt. Seht zu, daß ihr nicht in die Quere kommt, wenn es losgeht.«
    »Und still jetzt«, fügte Florimel hinzu. »Es kann sein, daß er Martine und !Xabbu hat. Wir wollen ihn nicht dazu provozieren, daß er ihnen was antut.«
    Der Hugolinusturm – in einer untypischen Anwandlung von Verschwiegenheit hatte der Mönch erklärt, den Namen nicht erläutern zu wollen, da es zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine zu unerfreuliche Geschichte sei – war deutlich ein späterer Anbau an das Haus, denn seine mehrfach ausgebesserte Steinfassade war nur eine dünne Schicht über einem plumpen Balkengerüst. Das Holz der Treppe war noch dürftiger, und daß es durch die zerschmetterten Fenster seit Jahren der Witterung ausgesetzt war, hatte auch seinen Tribut gefordert. Einige Stufen gaben beängstigend nach, und das Knarren, das eine hören ließ, war zwar sehr leise, aber zerrte dennoch an Renies Nerven wie ein jäher Schrei.
    Aus Sorge, daß die Dielen des Treppenabsatzes ähnlich geräuschvoll sein könnten, signalisierte Renie den anderen, auf den obersten Stufen stehenzubleiben, und machte sich dann so verstohlen wie möglich daran, die durchnäßten Wandteppiche einen nach dem anderen vorsichtig anzuheben. Sie fand darunter nichts als bemooste Holzwände, bis sie zum letzten Teppich vor dem Fenster auf der Seite kam. Als sie die Ecke lüftete, fiel das Licht der untergehenden Sonne auf eine Tür in einer Wandvertiefung.
    Mit klopfendem Herzen winkte Renie T4b und Florimel herbei und hob dabei den Teppich ein wenig höher, damit sie ihre Entdeckung sehen konnten. Als die beiden Gefährten neben ihr standen, Florimel mit weiten Augen vor Anspannung, der Teenager unergründlich unter seinem Helm, tupfte Renie T4b an den Arm. Sie und Florimel faßten den Teppich an den Rändern und rissen ihn von der Wand; er sackte Renie wie eine nasse Leiche in die Arme. Behutsam wie eine Matrone, die durch eine Pfütze waten muß, raffte T4b seine Kutte über die silberblau schimmernden gepanzerten Beine, trat dann die Tür aus den Angeln und sprang hinein.
    Auf den Lärm folgte Totenstille. Im Innern war es düster.
    »Ich glaub, es …«, begann T4b, als mit lautem Krachen eine Stichflamme aus der Dunkelheit zuckte.
    Auf die Knie geworfen und unter dem schweren Wandteppich halb begraben dachte Renie zunächst, eine Bombe wäre losgegangen, bis sie T4b mit brennender Brust, ein rauchendes Loch in Kutte und Panzer, rückwärts aus der Tür kommen sah. Der zurücktaumelnde Teenager schlug wie

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