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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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stemmen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Als er wieder hinausschauen konnte, sah er im grellen Schein des nächsten Blitzes, daß die Zwillinge mittlerweile auf der zertrümmerten Kuppel von Kunoharas Blase standen. Die Wespen wuselten wild durcheinander, vielleicht in dem Bestreben, für ihre Kommandanten den Eingang freizumachen. Da kam ein Stock angeschossen, der fast halb so hoch war wie das Haus, drehte sich in der Strömung und wischte etliche der Hunderte von Wespen weg, die an dem Haus hingen. Blätter, Holzstücke und Grasbüschel schwammen auf dem Fluß. Paul blickte zu dem Wasserfall hinter dem Haus auf und sah, daß sich dort oben ein großer Klumpen angesammelt hatte, ein zufällig entstandener Damm aus Zweigen und Mulch, der unter dem Druck des darüber hinwegrauschenden und durch die Lücken dringenden Wassers heftig wackelte.
    Der Regen, ging es ihm durch den Kopf, so viel Regen. Der Haufen da oben muß jede Menge Wasser und anderen Kram stauen.
    Was hatte Kunohara gesagt? »Eine Sache muß ich noch machen…«
    »Um Gottes willen!« schrie Paul. »Haltet euch fest, so fest ihr könnt!«
    »Wir haben schon damit zu tun, einigermaßen aufrecht zu sitzen …«, begann Florimel, doch Paul setzte ihr den Fuß auf die Hüfte und schob sie an die Wand der Blase zurück. »Halt dich fest, herrje! Gleich wird …«
    Als es wieder blitzte, sah er, wie ein Ruck durch den großen Treibgutpfropfen ging und er sich auf der ganzen Breite des Wasserfalls verformte. Das Wasser war jetzt fast vollkommen abgeblockt, was sogar den beiden Greuelgestalten auf Kunoharas Haus auffiel, denn sie drehten sich um und guckten nach oben. Durch die Dämmwirkung beruhigte sich die Strömung um Paul und die anderen einen Moment lang, und ihre Blase sank tiefer ein. Dann brach der Klumpen entzwei, und der Fluß schoß über den Rand wie eine Faust aus grünem Wasser und weißem Schaum und krachte auf Kunoharas Haus und die Insekten herunter, daß eine mächtige Fontäne aufspritzte.
    Die Wasserwand brauste über das Becken hinweg auf Paul und seine Gefährten zu, riß sie mit und schleuderte die laut kreischende Schar den nächsttieferen Katarakt hinunter. Einen Moment lang flogen sie über dem dunklen, regengepeitschten Fluß durch die Luft wie ein vom Himmel stürzender Stern.
     
     
    > Die Zerstörung Roms war in vollem Gange, und der Rauch der Brände war bis in die fernen Weinberge Kampaniens zu sehen – eine Niederlage von noch nie dagewesenen Ausmaßen. Und doch konnte man den Römern, Bürgern wie Sklaven, keinen Vorwurf machen, daß sie keinerlei Verteidigungsmaßnahmen ergriffen hatten, denn der massive Angriff war buchstäblich aus dem Nichts gekommen, und mit fast dreihundert Jahren Verspätung.
    Vor diesem Schreckenstag hatte Tigellinus zwei Jahre lang als Kaiser regiert. Der einstige Roßtäuscher war immer noch beliebt, weniger wegen seiner eigenen Taten, obwohl er sich bemüht hatte, ein guter Herrscher zu sein, als wegen des immer noch nicht abgeklungenen Hasses, der seinerzeit das römische Volk angestachelt hatte, seinen Vorgänger Nero, den letzten der julisch-claudischen Cäsaren, zu ermorden. Gegen Tigellinus war nichts einzuwenden, meinten viele Römer, aber selbst eines seiner Pferde wäre besser gewesen als Nero.
    Dabei schien der Mutter aller Städte noch am Tag davor ein günstiges Schicksal zu lachen. Die frische Tramontana aus dem Norden hatte den Märzhimmel freigeblasen, und unmittelbar darauf hatten in einem fast schlagartigen Frühlingserwachen die Kastanien zu blühen begonnen und die Hügel ein grünes Kleid bekommen. Seltsamerweise hatten selbst die Auguren und die anderen Priesterkollegien keinerlei Warnung vor Unheil ausgesprochen – die jüngsten Opfer schienen das Wohlgefallen der Götter gefunden zu haben, und überhaupt hatten sämtliche Zeichen ein glückliches Jahr für den Kaiser und sein Volk verheißen. Im Reich herrschten sichere Verhältnisse. An den äußeren Rändern des römischen Imperiums gab es noch Scharmützel, aber im allgemeinen war das Wort Krieg wenig mehr als ein Anlaß zu Geschichten, die alte Soldaten, Teilnehmer an den Kämpfen in Britannien oder in den Wäldern Galliens, in den Weinschenken erzählten. Niemand hatte im entferntesten mit einem Angriff gerechnet, schon gar nicht von einem Feind, der längst tot war und dessen Stadt beinahe so lange schon Staub war wie er.
    Eines späten Vormittags im März stand Hannibal mit seiner Streitmacht plötzlich vor

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