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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Sie blickte bei seinem Kommen auf und lächelte auf ihre verstohlene Art, sagte aber nichts.
    »Ava? Ist irgendwas mit Ihnen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Kommen Sie her. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
    »Es ist Zeit für den Unterricht. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, als Sie nicht im Haus waren und auf mich gewartet haben.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Jonas. Bitte, kommen Sie her.« Sie klopfte auf das Gras neben sich. Er sah, daß sie in der Mitte eines weiten Rings von Pilzen saß – »Hexenring« hatte Oma Jonas dazu gesagt –, und wieder beschlich ihn das Gefühl, in eine Märchenhandlung versetzt zu sein. Avas Augen blickten ihn groß und mit einem eigenartigen Ausdruck an. War es Erregung? Erwartung?
    »Ihr Kleid wird ganz naß, wenn Sie so im Gras sitzen«, sagte er, während er zögernd auf sie zutrat.
    »Die Bäume haben den Regen abgehalten. Es ist ziemlich trocken hier.« Sie raffte den Saum ihres Kleides zur Seite und steckte ihn unter ein Bein, damit Paul Platz hatte, sich zu setzen, wobei sie aus Versehen – oder Absicht? – die Spitzen ihres Unterrocks wie auch die blasse Haut ihrer Fessel über dem Schuh entblößte. Er mußte sich beherrschen, nicht hinzuschauen. Es war ihm gleich am ersten Unterrichtstag aufgefallen, daß Ava gern ein bißchen kokett tat, allerdings war schwer zu sagen, was davon echt und was einfach ihr anachronistisches Rollenverhalten war, das vollkommene Züchtigkeit an der Oberfläche diktierte (wozu offenbar auch die längst veraltete Höflichkeitsanrede gehörte), aber damit jeden Umgang nur noch prickelnder machte. Eine Freundin in London hatte ihm eines Abends einmal in angeheitertem Zustand erklärt, warum Regency-Romane soviel sexyer seien als alles, was in den weniger verklemmten Jahrhunderten seitdem geschrieben worden war. »Je weniger sein darf, um so mehr wird’s«, hatte sie behauptet.
    Paul war langsam bereit, ihr recht zu geben.
    Als sie seine Verlegenheit bemerkte, grinste Ava mit einem hemmungslosen Vergnügen, das Paul wieder einmal daran erinnerte, daß sie eigentlich noch ein Kind war, wodurch sich sein Unbehagen paradoxerweise noch steigerte. »Wir sollten jetzt wirklich zurückgehen«, begann er. »Wenn ich gewußt hätte, daß Sie heute lieber im Freien lernen möchten, hätte ich vorher…«
    »Ist doch nicht schlimm.« Sie tätschelte sein Knie. »Es sollte eine Überraschung sein.«
    Paul schüttelte den Kopf. Sie führte offensichtlich etwas im Schilde, aber er ärgerte sich, daß er die Situation nicht besser meisterte. Es wäre in jedem Fall schwierig gewesen, der Privatlehrer einer attraktiven, einsamen und sehr jungen Frau zu sein, aber die absonderlichen Umstände in der Jongleurschen Festung erhöhten den Druck noch zusätzlich. »Das gehört sich nicht, Ava. Man wird uns sehen…«
    »Niemand wird uns sehen. Niemand.«
    »Das stimmt nicht.« Paul war sich nicht sicher, inwieweit sie über die Kontrolle im Bilde war. »Jedenfalls müssen wir heute noch was tun …«
    »Niemand wird uns sehen«, wiederholte sie, diesmal mit überraschender Bestimmtheit. Sie legte den Finger an die Lippen, lächelte und tippte dann an ihr Ohr. »Und hören wird uns auch niemand. Sehen Sie, Herr Jonas, ich habe einen … Freund.«
    »Ava, ich hoffe sehr, daß wir Freunde sind, aber das ist nicht…«
    Sie kicherte. Die üppigen schwarzen Locken, heute mit Nadeln und einem Strohhut gebändigt, rahmten ihr amüsiertes Gesicht ein. »Lieber, lieber Herr Jonas, ich spreche nicht von Ihnen.«
    Verdutzt und noch mehr beunruhigt als vorher stand Paul auf. Er streckte Ava die Hand hin. »Kommen Sie. Wir können später darüber reden, aber jetzt müssen wir ins Haus zurück.« Als sie die Hand nicht ergreifen wollte, seufzte er und wandte sich zum Gehen.
    »Nein!« rief sie. »Treten Sie nicht aus dem Kreis!«
    »Was soll das heißen?«
    »Der Kreis – der Ring. Treten Sie nicht hinaus! Sonst kann mein Freund uns nicht mehr schützen.«
    »Was reden Sie da, Ava? Phantasieren Sie? Wer soll uns wie schützen?«
    Ihr Mund verzog sich schmollend, aber diesmal war es keine Koketterie. Paul meinte, echte Besorgnis zu erkennen, beinahe Furcht. »Setzen Sie sich, Herr Jonas. Ich werde Ihnen alles erzählen, aber bitte treten Sie nicht aus dem Ring! Solange Sie hier bei mir bleiben, sind wir beide vor spähenden Augen und lauschenden Ohren sicher.«
    Trotz des deutlichen Gefühls, daß das Ganze sich in eine höchst ungute Richtung entwickelte, konnte

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