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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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machste so’n Wäwä?«
    »Das hast du gut gemacht, Javier«, sagte Martine. »Behalte bitte weiter die Straße im Auge.«
    Paul spreizte die Beine, um sicher zu sitzen, lehnte sich gegen den vorderen Wagenrand und schaute, wie die kurvige Straße sich hinter ihnen abspulte. Die Sonne war blendend hell, nur ein Härchen noch, und sie stand im Zenit. Rohes Metall glitzerte hier und da in der schroffen Landschaft.
    »Ich bezweifle sehr, daß die Schlange da eben oder das Pferd, das uns zieht, schon zur Grundausstattung dieses Environments gehörten«, sagte er. »Erinnert euch das an irgendwas?« Er wurde von einer schwarzen Linie abgelenkt, die neben ihnen auf dem Bergrücken auftauchte. Es dauerte einen Moment, ehe er erkannte, daß es eine Art Kabel war. Er stemmte sich hoch und blickte sich nach vorn um. Das Kabel, zwischen wachpostenartigen Bäumen aufgespannt, verlief parallel zur Straße.
    Telefonleitungen? Nicht in Dodge City. Müssen Telegrafenleitungen sein. Er ließ sich wieder zurücksinken und betrachtete die Straße und die nebenherlaufende schwarze Linie.
    »Es ist wie in Kunoharas Welt«, meinte Florimel. »Diese Mutationen, sagte er, hatten dort eben erst angefangen. Vielleicht hat Dread hier etwas Ähnliches angerichtet.«
    »Das wäre eine schnelle und für ihn wahrscheinlich amüsante Methode, Unheil zu stiften«, sagte Martine. Sie sprach langsam, ganz offensichtlich noch matt und zerschlagen. »Und er hat so viele Welten, die er ruinieren kann. Er muß vielleicht bloß ein paar Zufallswerte höherstellen, und schon kann er sich zurücksetzen und zusehen, wie aus einer sorgfältig konstruierten Simulation ein bizarrer Albtraum wird.«
    Eine zweite Telegrafenleitung hing jetzt unter der ersten, zwei schwarze Streifen am linken Rand von Pauls Gesichtsfeld. Der Wagen holperte und schaukelte weiter die steinige Straße hinunter. Paul stöhnte. Eine unbequemere Art zu reisen war schwer vorstellbar. Er wunderte sich, daß seine bei dem Geruckel ständig aufeinanderschlagenden Zähne bisher noch heil geblieben waren. »Können wir nicht ein bißchen langsamer fahren?«
    »Nicht wenn das Pferd vorn gehn soll«, erwiderte T4b pampig.
    Jetzt erschienen auch am Rand der Schlucht Telegrafenleitungen, so daß der Wagen zwischen zwei hohen, offenen Zäunen aus schwarzen Kabeln dahinrollte. Paul fragte sich, ob dies abermals eine Verfremdung der ursprünglichen Simulation war, und wenn ja, was für spezielle Kommunikationen über diese zusätzlichen Kabel laufen mochten. Oder waren sie bloß leere Kopien?
    »Ich glaube, ich sehe eine Stadt«, sagte Florimel. »Seht, dort unten auf dem Grund der Schlucht.«
    Paul rutschte an die Seite und spähte hinunter. Die Schluchtwände reflektierten das Sonnenlicht so grell, daß der Fluß in der Tiefe eine Schlangenlinie aus silbrigem Feuer war, aber irgend etwas war ganz gewiß dort unten am Flußufer dicht vor der nächsten Biegung und versperrte den Blick auf das übrige Tal, etwas, das zu geordnet aussah, um einfach Felsen auf der Talsohle zu sein.
    »Martine, kannst du ausmachen, ob es wirklich eine Stadt ist, Dodge City oder sonstwas? Ich kann es nicht deutlich erkennen.«
    »Wir kommen noch früh genug hin.« Sie rieb sich teilnahmslos die Schläfen. »Entschuldigt.«
    »Was zum Teufel ist jetzt los?« sagte Florimel.
    Im ersten Augenblick dachte Paul, sie wäre verstimmt, weil Martine nicht auf ihre Frage eingehen wollte; da sah er, daß unmittelbar vor ihnen abermals mehrere Kabel vom Hang herabkamen, an einem schief hängenden Mast abknickten und von dort über der Straße dahinliefen wie Notenlinien ohne Noten. Gleich darauf holperten sie unter diesem Dach aus schwarzen Leitungen dahin, und Paul wurde sich bewußt, daß die Kabel sie nunmehr von allen Seiten umgaben. Dazwischen waren zwar immer ein oder zwei Meter Abstand, so daß sie in keiner Weise gefangen waren, aber es war dennoch ein beklemmender Anblick.
    »Ich weiß nicht«, gab Paul Florimel verspätet Antwort. »Aber es gefällt mir nicht besonders …« Erschrocken blickte er nach vorn, als der Wagen in seinem Kabeltunnel um die nächste Kurve bog. T4b fluchte und zog mit aller Kraft an den Zügeln. Ihr »Pferd« versuchte schon von selber anzuhalten, aber das Gewicht des schiebenden Wagens war zu groß, und die befingerten Füße des Tieres zogen eine lange Furche durch den Staub.
    Ein Stück vor ihnen liefen alle Kabel zusammen und verknoteten sich mitten über der Straße zu einer Art schwarzem

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