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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Wenn ihr länger irgendwo bleiben würdet, und sei es in einem Versteck, das nicht so offensichtlich ist wie bei deiner Mutter, dann könnten wir bloß hoffen, daß sie euch nicht finden.«
    »Du klingst, als würdest du an diese … Verschwörung glauben. Diese ganze verrückte Geschichte.«
    »Du nicht? Dann erklär mir Sellars! Erklär mir Yacoubian und sein Hotelzimmer und diese Nazibullen, die er zu Leibwächtern hatte!«
    Christabel stand schon so lange steif an einer Stelle, daß sie Angst hatte, vor Schmerz zu wimmern, wenn sie nicht gleich das Glas absetzte. Sie streckte den Arm ganz langsam nach dem Waschbecken aus und suchte nach einem flachen Platz.
    »Das kann ich nicht erklären, Mike, und ich will’s gar nicht erst versuchen. Ich will nur mein Kind in Sicherheit bringen, weg von diesem ganzen … Irrsinn.«
    »Das will ich doch auch, so bald wie möglich. Aber die einzige Möglichkeit, die ich sehe…«
    Das Glas wackelte und fiel. Christabel haschte danach, aber es sprang ihr aus den Fingern und zerschmetterte mit einem Knall wie eine Explosion im Netz am Boden. Im nächsten Moment ging grell das Badezimmerlicht an, und ihr Vater stand groß und grimmig in der Tür, so daß Christabel zurücktrat, umknickte und das Gleichgewicht verlor. Ihr Vater sprang vor und packte sie so fest am Arm, daß sie quiekte, aber immerhin fiel sie nicht hin.
    »Herrje, was machst du? Autsch! Scheiße! Hier liegt überall Glas!«
    »Mike, was ist los?«
    »Christabel hat ein Glas zerbrochen. Ich hab einen Splitter im Fuß, der so groß wie ein Steakmesser ist. Scheiße!«
    »Schätzchen, was ist passiert?« Ihre Mami nahm sie auf den Arm und trug sie in das Zimmer, in dem ihre Eltern sich eben noch gestritten hatten. »Hast du schlecht geträumt?«
    »Ich kehr derweil das Glas auf«, sagte ihr Vater aus dem Badezimmer. »Und amputier mir den Fuß, um das Bein zu retten. Kümmert euch nicht um mich.« In seiner Stimme war Ärger, und dennoch entspannte sich Christabel ein wenig – es war nicht der Wir-lassen-uns-scheiden-Ärger von vorher.
    »Ich … ich hatte Durst. Dann hab ich euch gehört …« Sie hatte es nicht sagen wollen, aber ein bißchen glaubte sie immer noch, daß alles irgendwie gut werden würde, wenn sie es nur der Mami sagte. »Ich hab euch streiten gehört, und da hab ich Angst gekriegt.«
    »Ach, Schätzchen, kein Wunder.« Ihre Mutter drückte sie an sich und küßte sie auf den Scheitel. »Kein Wunder. Aber es ist alles gut. Dein Papi und ich versuchen uns nur zu einigen, was wir tun sollen. Erwachsene streiten manchmal.«
    »Und dann lassen sie sich scheiden.«
    »Ist es das, was dir angst macht? Ach, Herzchen, nimm’s nicht so ernst. Wir waren bloß verschiedener Meinung.« Doch die Stimme ihrer Mutter klang immer noch ganz wacklig, und sie sagte nicht: »Dein Papi und ich, wir werden uns niemals scheiden lassen.« Christabel schmiegte sich an sie und hielt sie fest und wünschte, sie hätte keinen Durst gehabt.
     
    Im Nebenzimmer ging das Gespräch weiter, jetzt aber viel leiser. Christabel hatte sich wieder ins Bett gelegt, den größtmöglichen Abstand zwischen sich und Cho-Cho, der in seine Decken gewickelt dalag wie eine ägyptische Mumie. Christabel bemühte sich, langsam zu atmen, wie ihre Mami es ihr gesagt hatte, aber immer wieder wollte das Weinen hochkommen, so daß ihre Atemzüge ganz zittrig waren.
    »Gib Ruh, mu’chita.« Cho-Chos Stimme war durch das Kissen gedämpft, das er vor dem Gesicht liegen hatte. »Leute wolln schlafen.«
    Sie beachtete ihn gar nicht. Was wußte der schon? Er hatte keine Mami und keinen Papi, die stritten und sich scheiden lassen wollten. Es war nicht seine Schuld, daß alle schimpften, es war ihre. Obwohl sie so traurig war, daß es weh tat, war sie auch ein klein wenig stolz.
    »Transe cräsh«, sagte Cho-Cho und wälzte sich aus dem Bett, wobei er fast sein ganzes Bettzeug mitzog, so daß die Matratze mit dem Laken auf einmal nackt und weiß war und aussah wie ein Eiskremsandwich, von dem man die obere Waffel abgehoben hatte. »Kann kein Mensch schlafen bei diese mierda.« Er ließ die Decken fallen und stakste ins Badezimmer, ganz dürr in seiner Unterwäsche.
    »Wo willst du hin? Da kannst du nicht rein!«
    Er schaute sie gar nicht an und machte nicht einmal die Tür zu. Als er anfing zu pinkeln, vergrub Christabel den Kopf unter der Bettdecke. Nach dem geräuschvollen Spülen war es lange still. Als sie schließlich wieder unter der Decke

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