Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
besser gemacht.«
    »Wieso die Eile?«
    »Wir haben alle gesehen, wie sich diese Umgebung allein während unserer Anwesenheit verändert hat, wie die Dinge ihre Konturen verlieren, ihre Farbe. Als ich weitere Steine suchen ging, entdeckte ich etwas Beängstigendes. Der Pfad verliert ebenfalls an Wahrheit.«
    Sie sah ihn konsterniert an. »Was meinst du damit?«
    »Vielleicht habe ich das falsche Wort gebraucht. Ich spreche von dem Pfad, auf dem wir mit Martine und Paul Jonas und den anderen hier hochkamen, bevor das ganze Unglück geschah, von dem Pfad an der Bergwand entlang. Er verändert sich zusammen mit allem anderen, Renie, aber er besaß von Anfang an nicht viel… wie lautet das richtige Wort? Er besaß nicht viel Wahrheit, nicht viel … Wirklichkeitstreue. Und mittlerweile sieht er alt und unscharf aus.«
    Trotz der gleichmäßigen Raumtemperatur lief es Renie kalt den Rücken herunter. Ohne diesen Steig saßen sie auf dem Gipfel eines viele Meilen hohen Berges fest, der sich zusehends in nichts auflöste. Und wenn als letztes auch noch die Schwerkraft verschwand?
    »Du hast recht. Wir sollten rasch aufbrechen.« Sie wandte sich Sam zu, die über Orlandos leerem Sim brütete. »Hast du das mitgekriegt? Uns läuft hier oben die Zeit weg.«
    Das Mädchen hatte jetzt trockene Augen, aber mit ihrer Fassung war es dennoch nicht sehr weit her. Es war für Renie nach wie vor verwirrend, Sams wahres Gesicht zu sehen. Noch verwirrender war die Entdeckung gewesen, daß Sam einen schwarzen Vater und trotz ihrer goldbraunen Haare einen deutlich afrikanischen Einschlag hatte. Ihr Teenagerslang war so hundertprozentig normalamerikanisch, daß Renie das Mädchen (beziehungsweise den Jungen, für den alle sie gehalten hatten) automatisch als Weiße eingeordnet hatte. »Er sieht so … vollkommen aus«, sagte Sam leise. »Was passiert mit ihm, wenn das hier alles verschwindet?«
    Renie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Aber vergiß nicht, Sam, das ist er nicht. Das ist nicht mal sein Körper. Wo Orlando auch sein mag, er muß es dort besser haben als hier.«
    »Wir brauchen ein wenig Erholung, bevor wir losgehen«, bemerkte !Xabbu . »Wir haben alle nicht mehr geschlafen seit der Nacht, bevor Troja zerstört wurde, und das kommt mir ewig lange her vor. Es nützt uns nichts, eilig den Berg hinunterzulaufen, wenn wir den richtigen Weg verfehlen. Wenn wir so müde sind, daß wir straucheln und hinfallen.«
    Renie wollte widersprechen, aber er hatte natürlich recht: Sie waren alle erschöpft. Im übrigen war es !Xabbu , der gewöhnlich am wenigsten Schlaf bekam und darauf bestand, die anstrengendsten Aufgaben zu übernehmen. Selbst wenn es nur ein Sim und nicht sein richtiger Körper war, fiel er beinahe um vor Müdigkeit. Auch Sams gereizte Gemütsverfassung – nicht sehr verwunderlich nach dem, was sie alle durchgemacht hatten – konnte nur besser werden, wenn sie einmal ausschlief.
    »Okay«, sagte sie. »Wir gönnen uns ein paar Stunden Schlaf. Aber nur, wenn du dich zuerst hinlegst.«
    »Ich bin es gewohnt, ohne Schlaf auszukommen, Renie …«
    »Es ist mir egal, ob du es gewohnt bist oder nicht. Du bist dran mit Ausruhen. Ich übernehme die erste Wache, dann wecke ich Sam zur zweiten. Also legst du dich jetzt hin oder nicht?«
    !Xabbu zuckte mit den Achseln und schmunzelte. »Wenn du es so willst, geliebtes Stachelschwein.«
    »Laß den Käse!« Sie schaute sich um. »Es wäre ganz nett, wenn es hier mal dunkel werden würde.« Da fiel ihr ein, wie beängstigend der plötzliche Einbruch der Nacht in dem anderen unfertigen Land gewesen war. »Na ja, vielleicht auch nicht. Egal, mach jetzt die Augen zu!«
    »Du könntest dich auch schlafen legen, Renie.«
    »Ohne daß jemand ein Auge auf Jongleur hat? Kannste nullen, wie die jungen Leute sagen.«
    !Xabbu rollte sich auf dem Boden zusammen. Als Angehöriger eines Nomadenvolkes darin geübt, jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, brauchte er nur Sekunden, bis seine Atmung sich verlangsamte und seine Muskeln sich entspannten.
    Renie strich ihm kurz übers Haar. Sie konnte es noch immer kaum fassen, daß sie ihren alten !Xabbu wiederhatte. Oder eine virtuelle Version von ihm. Sie warf einen raschen Blick zu Felix Jongleur hinüber, der weiterhin den Himmel anstarrte wie ein Kapitän, der das Wetter beobachtet, dann zu Sam, die still neben Orlandos Steingrab kauerte. Obwohl ihr Knie Renies Bein berührte, schien sie weiter weg zu sein als Jongleur.
    »Schlaf du auch

Weitere Kostenlose Bücher