Otherland 4: Meer des silbernen Lichts
ich nicht, wie du das zuwege bringen willst.«
Auf diese völlig unmotivierte Bemerkung wußte Olga nichts zu erwidern.
»Sieh erst mal zu, ob du uns diese Daten auf der Marke beschaffen kannst«, schaltete Ramsey sich ein. »Du hast doch noch den Ring, nicht wahr?«
»Wenn sie mit der T-Buchse drangeht, ist mir mehr gedient«, meinte Beezle.
»Gut. Mach das, Olga. Dann beschließen wir die nächsten Schritte.«
Sie fühlte sich wie eine Figur aus einer altertümlichen Schnurrenkomödie, als sie die Toilette verließ und den Korridor hinuntertrabte. Jerome stand stocksteif vor dem Aufzug und blickte auf seine Schuhe. Angestrahlt von der Deckenbeleuchtung glänzten seine auffälligen Gesichtsknochen, so daß er wie ein Roboter aussah, der mit leergelaufenem Akku stehengeblieben war.
Als er sie hörte, hob er den Kopf. Das Lächeln verlieh seinem verformten Gesicht etwas Liebenswertes, ähnlich einer alten Puppe, einem kaputten, aber vertrauten Spielzeug.
»Ich wollte dir nur Bescheid sagen, daß ich noch ein Weilchen brauche«, erklärte sie. »Oh, mein Schuh! Kann ich mich kurz an deiner Schulter festhalten?« Während sie so tat, als richtete sie etwas an ihrem Schuh, lehnte sie sich mit ihrer telematischen Buchse dicht an seine Marke und eilte dann in die Toilette zurück. Ramsey und sein neuer Helfer waren bereits dabei, die Ergebnisse auszuwerten.
»Ich kann was basteln, daß du reinkommst«, meinte Beezle schließlich. »Aber wenn dich jemand checkt, biste dran, und wie wir dich an den Sicherheitsdienstlern vorbeikriegen sollen, ist mir eh schleierhaft.«
»Es geht nicht«, sagte Ramsey niedergeschlagen. »Die gefälschte Zugangsberechtigung ist gut und schön, aber bei dem Problem, Olga überhaupt auf die sechsundvierzigste Etage zu bringen, hilft sie uns kein bißchen weiter.«
Angesichts der Erleichterung, die sie bei dem Gedanken verspürte, den Zugang ins obere Stockwerk verwehrt zu bekommen, wurde Olga auf einmal klar, wie sehr sie sich fürchtete. »Das heißt, es ist aussichtslos?«
»Ich kann nicht zaubern, Lady«, knurrte Beezle. »Orlando, wo mein Besitzer ist, sagt immer …«
»Wart mal«, unterbrach Ramsey die nächste verwirrende Bemerkung. »Du hattest doch noch mehr Sachen dabei. Wir könnten die Rauchbombe zünden.«
»Was soll das nützen?« In gewisser Weise hatte Olga sich bereits mit der Vorstellung des Scheiterns angefreundet. Aller Antrieb weiterzumachen, selbst die Erinnerung an die Kinder, war inzwischen von der immer stärker werdenden Furcht gedämpft worden. Sie sehnte sich danach, den Himmel wiederzusehen, richtigen Wind im Gesicht zu spüren, und sei es die warme Suppe, die sie in diesem Teil der Vereinigten Staaten als frische Luft bezeichneten. »Es wird nicht die Türen wegsprengen oder etwas ähnlich Gravierendes machen, und es ist auch zu weit unten im Gebäude. Wenn der Rauch so weit hinaufzieht, daß er mich verbirgt, dann erstickt er mich gleichzeitig auch.«
»Aber wenn sie das Gebäude evakuieren müssen, werden sie nicht mehr darauf achten können, wer sich im sechsundvierzigsten Stock oder sonstwo aufhält.«
»Da oben gibt es doch bestimmt Kameras. Selbst wenn sie mich nicht gleich bemerken, können sie sich die Aufnahmen angucken, sobald sie feststellen, daß es falscher Alarm war.«
»Wenn wir Glück haben – wenn du Glück hast, sollte ich sagen, denn natürlich bist du es, die das Risiko eingeht –, wirst du zu dem Zeitpunkt fertig sein, vielleicht sogar schon aus dem Gebäude heraus, und dann kann dir das alles egal sein. Du mußt nur rasch machen mit der Anzapfung. Bring das Gerät an, und verschwinde sofort wieder.«
Ihr schwindelte bei dem Gedanken. »Ich … ich werd’s versuchen. Willst du die Rauchbombe jetzt gleich zünden?«
»Noch nicht«, meinte Ramsey. »Beezle muß noch deine Autorisierung fälschen. Ein vorgetäuschter Feueralarm nützt uns nichts, solange du von dem Geschoß ausgesperrt bist. Und ich würde vorher gern Sellars’ Material studieren. Ich habe dich völlig überstürzt angerufen und hatte noch keine Gelegenheit, einen klaren Gedanken zu fassen.« Er hörte sich wieder bedrückt an. »Ich bin für solche Sachen nicht ausgebildet.«
»Meinst du vielleicht, ich?« Olga setzte ihre Füße auf den Toilettenboden.
»Kannst du dich nochmal irgendwo verstecken? Wir rufen dich um Mitternacht an.«
»Na schön.« Sie brach die Verbindung ab, und dabei war ihr ein bißchen zumute, als sähe sie gerade das Schiff abfahren,
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