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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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das sie auf einer einsamen, unbewohnten Insel abgesetzt hatte.
    Die Toilettentür saugte sich hinter ihr zu, und sie machte sich auf, Jerome zu erklären, daß ihre Pläne sich geändert hatten. Es war immerhin ein kleiner Trost, daß sie ihn nicht in Gefahr bringen mußte. Sie dachte an die unglücklichen Kinder. Sie schien vom Schicksal zu ihrer Streiterin und Schützerin auserkoren zu sein, sowenig sie auch den Grund begriff, und ob sie wollte oder nicht. Sie hoffte, sie würden es ihr danken. Wie war das, was ihre Mutter immer über Dankbarkeit gesagt hatte?
    »Du solltest mir jetzt dankbar sein, solange ich noch am Leben bin. Das spart dir später das Porto.«
    Aber es würde mir gar nichts ausmachen, das Porto zu bezahlen, Mama, dachte sie. Wenn ich nur deine Adresse hätte.
     
     
    > Ihre Mutter wollte, daß sie zum Einkaufen mitkam, aber Christabel hatte keine Lust. Sie hatte zu gar nichts Lust. Sie erklärte ihrer Mami, sie wolle im Hotel bleiben und Netz gucken, aber das stimmte gar nicht. Mami und Papi stritten sich ein wenig – Papi paßte es nicht, daß Mami irgendwo hinfahren wollte, wo sie von jemand gesehen werden konnte.
    »Wir müssen unsichtbar bleiben«, sagte er.
    »Ich habe nicht vor, mich so unsichtbar zu machen, daß mein Kind nur noch Mist zu essen bekommt«, erwiderte sie. »Wir haben hier eine Küchennische, und ich gedenke, sie zu benutzen. Das Kind hat seit Tagen kein Gemüse gegessen, das nicht fritiert war.«
    Sie stritten sich nicht sehr, und das war auch nicht der Grund für Christabels gedrückte Stimmung, aber blöd fand sie es trotzdem. Mami und Papi scherzten nicht mehr miteinander. Papi legte nicht mehr die Arme um Mami, und er küßte sie auch nicht mehr zwischendurch in den Nacken. Er nahm Christabel zwar noch auf den Arm und hatte sie lieb, aber er war nicht fröhlich und Mami auch nicht. Und seit der schlimmen Sache, die Herrn Sellars und dem Jungen passiert war, redeten sie kaum mehr miteinander, ohne sich zu streiten.
    »Bist du sicher, daß du nicht mitkommen willst, Schätzchen?« fragte ihre Mutter. »Du könntest dir ein Müsli aussuchen, das du magst.«
    Christabel schüttelte den Kopf. »Ich bin müde.«
    Mami machte die Tür zu und kam zurück, um Christabel die Stirn zu fühlen. Sie seufzte. »Keine Temperatur. Aber es geht dir nicht gut, stimmt’s?«
    »Nicht besonders.«
    »Wir fahren bald hier weg«, versprach Mami. »So oder so. Ich bring dir was Schönes mit.«
    »Ruf an, falls du’s nicht schaffst, in einer halben Stunde wieder da zu sein, Kay«, sagte ihr Vater.
    »Eine halbe Stunde? So lange brauche ich, nur um hin- und wieder zurückzufahren.« Doch dann verschwand der gereizte Blick, den sie derzeit fast ständig hatte, und sie sah Papi so an wie früher. »Wenn es länger dauert, melde ich mich in einer Stunde. Versprochen.«
    Als sie fort war, ging Papi ins Nebenzimmer, um mit Herrn Ramsey zu reden. Christabel guckte eine Weile, was auf dem Wandbildschirm kam, aber nichts interessierte sie. Selbst Onkel Jingle war doof und traurig: Es ging darum, daß Prinz Popo, das neue Baby von Königin Wolkenkatze, sich im Zirkus verlaufen hatte. Auch bei der lustigsten Szene, als ein Elefant Onkel Jingle am Fuß packte und ihn immer im Kreis herum und herum und herum schwang, mußte sie nur ein klein wenig lächeln.
    Gelangweilt, aber auch mit einem Gefühl, als müßte sie gleich weinen, machte sie die Verbindungstür auf und ging ins Nebenzimmer. Ihr Papi unterhielt sich mit Herrn Ramsey, und beide schauten dabei auf Herrn Ramseys Pad und bemerkten sie gar nicht. Sie ging durch den Flur in das Schlafzimmer, wo Herr Sellars und Cho-Cho Seite an Seite auf einem der Betten lagen, immer noch still, immer noch regungslos. Sie hatte schon viele Male nach ihnen geschaut und dabei immer gehofft, Herr Sellars würde die Augen aufschlagen, und sie könnte zu ihren Eltern und Herrn Ramsey laufen und ihnen sagen, daß er wieder wach war. Sie würden sehr stolz sein, daß sie es bemerkt hatte, und Herr Sellars würde sich hinsetzen und sie »kleine Christabel« nennen und sich bei ihr bedanken, daß sie so gut auf ihn aufgepaßt hatte. Vielleicht würde auch Cho-Cho aufwachen und ein bißchen netter zu ihr sein.
    Aber Herrn Sellars’ Augen waren nicht auf, und sie konnte nicht einmal erkennen, ob seine Brust sich bewegte. Sie berührte seine Hand. Sie fühlte sich warm an. Hieß das nicht, daß jemand nicht tot war? Oder mußte man am Hals anfassen? Im Netz machten das

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