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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sehen, aber natürlich war niemand da. Er warf einen raschen Blick durch das Fenster auf die verformten Gebäude in der Tiefe, die sich ihm entgegenkrümmten, als spiegelten sie sich in der Wölbung eines Löffels. Das Fenster ist irgendwie aufgeladen, dachte er. Wahrscheinlich ist es eins von diesen unter Strom stehenden Hyperglasdingern mit Störfunktion, die verhindern, daß jemand eine Rakete hindurchschießt und Jongleur und sein ganzes Irrenhaus in die Luft jagt …
    »Sag ihm, er soll das Fenster ausschalten«, rief Paul, »den Strom. Der muß ausgeschaltet sein, sonst kommen wir nicht zur Feuerleiter.«
    »Das verstehe ich nicht«, erwiderte Ava, doch jemand anders verstand es offenbar. Das Fenster veränderte sich schlagartig, der Blick wurde klar und unverzerrt, der Himmel grau, die Luft nieselig, die Gebäude unter ihnen jetzt so scharf konturiert wie eine expressionistische Skulptur.
    Da flackerte auf einmal die Wand um das Fenster herum. Einen Sekundenbruchteil lang hatte Paul die absurde Vorstellung, sie würde sich auflösen und als schiere Illusion erweisen, so daß sie im nächsten Moment ungeschützt im Freien standen. Statt dessen erschien das zornige Raubvogelgesicht von Felix Jongleur zehn Meter hoch an der Wand, erst doppelt links und rechts des Fensters, von wo es sich dann über die ganze Kurve vervielfachte.
    »WER HAT DEN ALARM AUSGELÖST?« Es war des Gesicht eines zürnenden Gottes, eine Stimme wie eine kontrollierte Explosion. Paul prallte zurück und mußte sich beherrschen, um nicht automatisch auf die Knie zu fallen. »AVIALLE? WAS MACHST DU DA?«
    »Vater!« schrie sie. »Sie wollen uns umbringen!«
    Etliche Sicherheitsdienstler hechteten aus dem Dickicht auf den Gang hinaus, rollten ab und brachten am Boden kauernd eine erschreckende Vielfalt von Schußwaffen in Anschlag, von denen Paul nie geglaubt hätte, daß sie außerhalb von Netzthrillern existierten. Der Eindruck tödlicher Supereffizienz schwächte sich allerdings ein wenig ab, als die Wachmänner das riesenhafte Gesicht Felix Jongleurs erblickten – einer stieß sogar einen Überraschungsschrei aus. Alle glotzten mit offenem Mund. Finney kam nur wenige Meter von Paul entfernt zwischen den Bäumen hervor; sein teurer Anzug war an mehreren Stellen zerrissen und beschmutzt.
    »WAS GEHT HIER VOR?« dröhnte Jongleur.
    Weinend hängte sich Ava an Paul. »Ich liebe ihn!«
    »Alles ist unter Kontrolle, Sir«, erklärte Finney, doch er blickte nervös. Zwanzig Meter hinter Paul und Ava brach Mudd aus dem Wald heraus wie ein wütendes Rhinozeros, gefolgt von einem halben Dutzend weiterer Wächter.
    »Da bist du ja, du dreckiger kleiner Tommy«, knurrte Mudd. Er hatte offensichtlich versucht, sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen, aber es nur zu einer Art Kriegsbemalung verschmiert. »Knallt ihn ab!«
    »Halt’s Maul!« zischte Finney.
    »Nein!« Ava sprang schützend vor Paul. »Tut ihm nichts! Vater, sie dürfen ihm nichts tun!«
    Der Albtraum war außer Rand und Band geraten. Im Gegensatz zu dem Mädchen glaubte Paul keine Sekunde, daß Jongleur ihn verschonen würde – es sollte bloß nicht vor ihren Augen geschehen. Er schaute kurz über die Schulter, dann wirbelte er herum und stürzte zu dem Griff am Fensterrand. Einen Moment lang hatte er ihn in der Hand, sah sogar das schwarze Metallgestänge der Feuerleiter vor dem Fenster, da feuerte einer der Wächter eine Serie knatternder Schüsse ab. Die Kugeln nadelten knapp an ihm vorbei, sprengten faustgroße Stücke Bauschaum aus der Wand und schlugen Spinnwebmuster in das schwere Glas über seinem Kopf.
    »SEID IHR VERRÜCKT GEWORDEN?« brüllten die vielen Gesichter Jongleurs, die sich über die Wand zogen wie die Masken eines ergrimmten Gottes. Von den Schüssen aufgeschreckt stoben bunte Vögel von den Bäumen und flatterten kreischend durch die Luft. »IHR HÄTTET MEINE TOCHTER TREFFEN KÖNNEN!«
    »Feuer einstellen, ihr Idioten!« schrie Finney.
    Paul lag kraftlos, nahezu betäubt unter dem Fenstersims am Boden. Er hatte verloren. Das Fenster war immer noch geschlossen. Eine mächtige Hand packte ihn am Kragen und riß ihn auf die Beine.
    »Du kleiner Wichser.« Mudd zog ihn zu sich heran. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie tief du in der Scheiße steckst.«
    Finney hatte sich Ava gegriffen und war im Begriff, sie in den Wald zurückzuschleifen. »Vater!« schrie sie und wehrte sich verzweifelt. »Vater, tu doch was!«
    »STELLT SIE RUHIG!« befahl Jongleur. »DAS

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