Otherland 4: Meer des silbernen Lichts
nicht unterstützen will, abzuziehen und anderen Zwecken zuzuführen. Als Beispiel führen Thornleys Mitarbeiter an, daß Leute ohne eigenes Auto ihre Straßenbauwahlscheine für Reparaturarbeiten an öffentlichen Plätzen und Bürgersteigen einsetzen könnten, oder Steuerzahler, die keine Haustiere halten, könnten mit Tierkontrollscheinen die Ausrottung unerwünschter Schädlinge in Haus und Garten finanzieren …
> Zuerst hatte er die Befürchtung, daß der Prioritätsbefehl nicht funktioniert hatte – daß es dem System irgendwie gelungen war, seine eigene Grundprogrammierung aufzuheben –, doch dann ging die kurze Dunkelheit in das vertraute tiefenlose Grau seines privaten Systems über. Er konnte seinen Körper wieder fühlen – nicht seine robuste virtuelle Erscheinungsform, sondern seinen tatsächlichen sterbenden Körper, der in seinem Tank von zahllosen teuren Apparaten versorgt und am Leben erhalten wurde. Doch trotz allem Grauen, das ihm die Rückkehr in seinen wahren Zustand einflößte, war es dennoch ein wunderbares Gefühl.
Felix Jongleur war wieder zuhause.
Und jetzt die Apep-Sequenz auslösen. Der Andere mußte ohne Frage zerstört werden, vor allem wenn Dread ihn in seiner Gewalt hatte. Es war eine Schande, daß die Millionen Arbeitsstunden, die darin eingegangen waren, umsonst gewesen sein sollten, aber dieses Betriebssystem hatte längst bewiesen, daß Jongleurs schlimmste Befürchtungen bei weitem nicht schlimm genug gewesen waren.
Auf keinen Fall jedoch durfte das Gralsnetzwerk selbst irreparablen Schaden davontragen. Die darin gefangenen Menschen interessierten Jongleur nicht – er hatte keinerlei Skrupel, Paul Jonas und die übrigen umzubringen, zumal Jonas’ Uhr eigentlich ohnehin seit zwei Jahren abgelaufen war –, aber er wußte nicht, wie gut das Netzwerk ein vollständiges Abschalten verkraftete. Selbst mit einem austauschbereiten Backup-Betriebssystem mußte er zweifellos gewaltige Abstriche bei der Genauigkeit und der Ansprechzeit in Kauf nehmen, da das Netzwerk völlig auf die einzigartigen, ans Wunderbare grenzenden Fähigkeiten des sogenannten Andern zugeschnitten worden war. Und außer Jonas und seinen Freunden mußten natürlich auch alle anderen sterben, die sich noch in Otherland und somit in der Matrix des Andern befanden. Er konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob die Phantomversionen von Avialle überleben würden, obwohl sie eigentlich als Code im Speicher erhalten bleiben mußten, bis das Netzwerk wieder in Betrieb genommen wurde.
Er wünschte jetzt, seine Bemühungen darum, ein anderes Betriebssystem zu finden und zu entwickeln, hätten Erfolg gehabt, selbst wenn es bedeutet hätte, zusammen mit Robert Wells an einem alternativen System herkömmlicherer Art zu arbeiten, doch für solche reumütigen Gedanken war es zu spät. Er führte Krieg, einen Krieg um die Kontrolle über sein eigenes Netzwerk, das schon irrsinnige Mengen an Geld, Schweiß und Blut verschlungen hatte, und im Krieg mußte man immer Verluste in Kauf nehmen.
Der prekärste Punkt war natürlich seine persönliche Sicherheit. Er hatte von jeher davor zurückgescheut, sich ein für allemal in einen virtuellen Körper zu begeben, wie sollte er da jetzt einem der minderwertigeren Systeme aus Wells’ Telemorphix-Werkstatt vertrauen, die zwar vielleicht zuverlässiger waren als seines, aber bei weitem nicht die Leistung brachten?
Aber wenn Avialles Kopien das Abschalten und Auswechseln des Systems überstehen, dachte er, dann müßte mein bereitstehender virtueller Körper das ebenfalls tun. Und wenn ich das Risiko eingehen muß, den Gralsprozeß ganz zu durchlaufen, und sei es ohne volles Vertrauen in das neue System – nun ja, vor Risiken habe ich noch nie zurückgeschreckt. Die Ereignisse der vergangenen Tage waren unvorhersehbar gewesen. Er war nahe daran gewesen, den Mut zu verlieren, doch er war stark geblieben. Um jetzt zu überleben und zu siegen, mußte er nur weiterhin klüger und aggressiver sein als alle anderen, genau wie immer.
Es war ihm nicht leichtgefallen, Jonas und den anderen gegenüber geduldig und zahm zu bleiben, schon gar nicht mit dem Wissen, daß eines der Zugangsgeräte im Besitz dieser Martine und damit wieder in seiner Reichweite war. Aber ein einzelnes Zugangsgerät war für seine Zwecke wertlos gewesen, ansonsten hätte er schon Tage vorher das von Renie Sulaweyo mit Gewalt an sich bringen können. Er hatte schon befürchtet, selbst irgendwie einen Weg
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