Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
Der Streifenwagen flitzte von links nach rechts über die Kreuzung vor ihm und verschwand. Reacher bog dort links ab und sah den anderen Wagen im Rückspiegel kleiner werden. Jetzt war er nach Westen unterwegs. Sein Benzintank war zu über einem Viertel voll. An der nächsten Kreuzung bog er rechts ab, fuhr zwei Blocks weit zur Main Street und blickte dort nach Osten.
Knapp hinter dem Textilkaufhaus stand der zweite Crown Vic weiter quer auf der Straße und blockierte beide Fahrspuren. Seine eingeschalteten Blinkleuchten warnten vor diesem Hindernis. Der Wagen war über fünfeinhalb Meter lang. Eine der letzten großen Limousinen Amerikas. Trotzdem blieb vorn und hinten jeweils eine Lücke von ungefähr anderthalb Metern zwischen Stoßstange und Randstein.
Nicht genug. Vaughans Chevy war über einen Meter achtzig breit.
Ihre Ausbilder in Fort Rucker hatten oft gepredigt: Verunglückt nicht auf der Straße, fahrt auf dem Gehsteig! Das hätte Reacher tun können. Er hätte sich mit zwei Rädern auf dem Gehsteig an dem Streifenwagen vorbeimogeln können. Aber was dann? Eine zwölf Meilen lange Verfolgungsjagd, bei der er das langsamere Fahrzeug lenkte.
Zwecklos.
Reacher bog wieder rechts ab und lenkte den Wagen in das innerstädtische Labyrinth zurück. Sah den ersten Crown Vic noch mal vorbeiflitzen – diesmal drei Blocks vor ihm von Ost nach West unterwegs. Er bog links ab, fuhr von ihm weg und begann Ausschau nach Gebrauchtwagenhändlern zu halten. Im Film parkte man am Ende einer Reihe ähnlicher Fahrzeuge, und die Cops rasten vorbei, ohne einen zu sehen.
Hier gab es keine Verkaufsplätze mit Gebrauchtwagen.
Hier gab es überhaupt nicht viel. Jedenfalls nichts Nützliches. Er sah die Polizeistation zweimal, dazu das Lebensmittelgeschäft, den Friseur, die Bar, die Pension und das verblasste alte Hotel, an dem er auf seinem Weg zu dem Restaurant vorbeigekommen war. Er sah eine Kirche in einem ehemaligen Geschäftshaus. Irgendeine Sekte; irgendetwas vom Ende der Welt. Die einzige Kirche der Stadt, hatte Vaughan gesagt, in der der allgewaltige Firmenchef Laienprediger war. Das hässliche ebenerdige Klinkergebäude hatte einen quadratischen Turm aufgesetzt bekommen, damit es die Nachbarhäuser überragte. Auf dem Kirchturm saß ein Blitzableiter, dessen leuchtend grün oxidiertes Kabel seitlich herabführte. Dies war der hellste Farbfleck, den Despair zu bieten hatte – ein leuchtend grüner Strich in der allgemeinen Trübseligkeit.
Reacher fuhr weiter. Er schaute sich um, ohne etwas Brauchbares zu entdecken. Ihm hätte eine Autowerkstatt gefallen, in der er den alten Chevy auf die Hebebühne hätte fahren können, um ihn verschwinden zu lassen. Dort hätte er sich verstecken und gleichzeitig die Spur von Vaughans Pick-up beseitigen lassen können.
Er fand keine Autowerkstatt.
Er fuhr weiter, bog willkürlich links oder rechts ab. In den folgenden drei Minuten sah er den Crown Vic dreimal – zweimal vor sich, einmal im Rückspiegel. Das vierte Mal eine Minute später. Als er am Stoppschild einer Kreuzung hielt, kam der Streifenwagen in der Einmündung rechts neben ihm zum Stehen. Reacher und der Cop befanden sich nur drei Meter voneinander entfernt in einem rechten Winkel zueinander. Der Cop war der Typ, der ihn verhaftet hatte. Groß, schwarzhaarig, breitschultrig. Beige Windjacke. Er sah zu Reacher hinüber und lächelte. Ließ ihm mit einer Handbewegung die Vorfahrt, als stünde er zurück, weil er die Kreuzung als Zweiter erreicht hatte.
Reacher mochte ein schlechter Fahrer sein, aber er war nicht dumm. Er dachte nicht daran, dem Cop Gelegenheit zu geben, sich hinter ihn zu setzen. Also legte er krachend den Rückwärtsgang ein und stieß mit dem Chevy zurück. Der Streifenwagen fuhr an, bog links ab und wollte ihm folgen. Reacher wartete, bis der Kerl abgebogen war, dann schoss er vorwärts und passierte ihn Flanke an Flanke mit sehr geringem Abstand. Als Nächstes bog er rasch links, rechts und wieder links ab, bis er davon ausgehen konnte, dass die Luft rein war.
Danach fuhr er endlos weiter. Er gelangte zu dem Schluss, dass sein willkürliches Abbiegen ihm nicht viel nützte. Es konnte ihn ebenso gut zu einer Konfrontation wie davon weg führen. Also fuhr er hauptsächlich geradeaus, bis die Straße aufhörte. Erst dort bog er ab. Zuletzt bewegte er sich in weiten konzentrischen Kreisen – langsam genug, um sicher zu sein, und schnell genug, um notfalls beschleunigen zu können, ohne dass der
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