Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
jeden Fall mit Nachtsichtgeräten ausgestattet sein.
Eine weitere lange Sekunde verstrich. Die Männer an der Tür brüllten immer noch Kommandos. Joe hörte das Schlurfen ihrer Sohlen, als sie sich im Raum verteilten. Gute, solide Taktik gegen einen Feind, der blind und geschockt, aber nicht vollkommen hilflos war.
Und der – was noch schlimmer war – zur Panik neigte.
Joe konnte nicht feststellen, wer den ersten Schuss abgab. Er versuchte schon gar nicht mehr, irgendetwas zu erkennen, zog nur den Kopf ein und presste die Wange auf den kühlen Beton. Ein einzelner Schuss, ein Stück rechts von ihm, aus einer Handfeuerwaffe ohne Schalldämpfer.
Die Antwort waren Salven von Gewehrfeuer. Zwei automatische Waffen, von denen jede mehrere Feuerstöße abgab. Aus dem Augenwinkel sah Joe das Mündungsfeuer der einen, sah, wie der Schütze sich bewegte, während er schoss. Das helle klink-klink-klink der ausgeworfenen Patronenhülsen, die über den Betonboden kullerten, ließ vor seinem inneren Auge surreale Bilder von einem Glücksspielautomaten auftauchen, der Münzen spuckte. Heute
Nacht gibt es hier keine Gewinner , dachte er, als Schreie und Ächzen ganz in seiner Nähe bestätigten, dass jemand getroffen worden war. Körper krachten zu Boden, Staub wirbelte auf, kleine Steinchen und Betonsplitter flogen durch die Luft. Die Luft roch heiß und schwer nach Rauch und Blut und Angst.
In dieser allerersten Sekunde war Joe ein Gedanke durch den Kopf geschossen: ein Polizei-Einsatzkommando. Jetzt wurde er durch einen anderen ersetzt, begleitet vom Bild eines handgeschriebenen Briefs, der aus einem einzigen Wort bestand.
Schachmatt.
Liam begriff. Zumindest sah er es im Nachhinein so – dass er sofort verstanden hatte, womit er es zu tun hatte, aber einfach nicht reagieren konnte. Es erinnerte ihn an diese Träume, in denen man weglaufen will und das Gefühl hat, durch Sirup zu waten. Seine Glieder wollten ihm einfach nicht gehorchen.
In seiner Verzweiflung dachte er: Wenn ich nur die Maske und den Overall abwerfen und mich unter die Gefangenen mischen könnte …
Keine Zeit. Er registrierte das Kommando, sich hinzulegen, und der Ton verriet ihm, dass mit diesen Leuten nicht zu spaßen war. Dann stieß etwas gegen seinen Fuß, er zuckte zusammen, und da knickten seine Knie endlich ein, und er ging – quälend langsam, wie er es empfand – zu Boden. Gleichzeitig hörte er Turner einen wütenden Fluch ausstoßen, und Liam schätzte, dass er sich ebenfalls bewegte, aber auf eine gänzlich andere Art.
Der Schuss, aus solcher Nähe abgefeuert, war ein Schock, aber keine wirkliche Überraschung. Ebenso wenig wie das Sperrfeuer, das ihn erwiderte.
Muss wohl Turner sein , dachte er. Genauso dumm, wie er aggressiv war. Tja, Pech gehabt. Turner war ihm so was von scheißegal.
Inzwischen lag er auf dem Boden, ein Bein unter irgendjemandes Körper eingeklemmt. Er fühlte, wie die Kugeln über ihn hinwegstrichen, so dicht, dass er ihre Energie spüren konnte, ihre unerbittliche, unbeirrbare Durchschlagskraft. Das war der Tod, der da an ihm vorbeisauste, aber wenn Liam eines wusste, dann, dass er noch am Leben war, er war nicht getroffen , und das warme, zähflüssige Blut, das gegen seine Maske spritzte, war nicht sein eigenes Blut, sondern das eines anderen – und wer immer es war, hatte bekommen, was er verdiente.
Angela glaubte zu ersticken. Ein Schrei steckte in ihrer Kehle fest wie ein Hühnerknochen. Sie spürte, wie er gegen ihre Luftröhre drückte, ein scharfer und zugleich dumpfer Schmerz. Sie hatte die Augen fest geschlossen, doch ihr ganzes Gesichtsfeld war ausgefüllt von blendend hellem Licht, das mit entsetzlicher Intensität in ihrem Gehirn explodierte.
Sie hatte sich schon immer vor der Dunkelheit gefürchtet. Jetzt kamen die Hektik und die Panik dazu, die Schreie und die Schüsse, die dicht neben ihr krachten, und alles zusammen löste eine Art lähmende Urangst in ihr aus. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, konnte sich nicht rühren, ja, nicht einmal mehr atmen.
Jemand war angeschossen worden. Inmitten des Chaos spürte Angela einen dumpfen, grässlichen Aufprall, so dicht neben ihr, dass der Boden erzitterte.
Von den Schüssen dröhnten ihr die Ohren, doch während das Getöse der Detonationen verhallte, gelang es ihr wenigstens, etwas Luft in ihre Lunge zu saugen. Die Erleichterung
war so groß, dass sie die Augen aufschlug, doch sie konnte nichts sehen. Sie schloss sie wieder, spürte das
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