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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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der Bühne war hervorragend dazu geeignet, die
Zuschauer nach der ergebenen Anwesenheit von Mr.   und Mrs.   Meany abzusuchen. Sie
waren nicht da. Meine Suche wurde jedoch durch die Entdeckung eines
blutrünstigen Mr.   Morrison belohnt, des feigen Postboten, dessen Augen Blitze
in alle Richtungen schleuderten, und der seine Hände im Schoß knetete – als
würde er sie gerne um einen Hals legen. Der Blick eines Mannes, der gekommen
ist, um sich anzusehen, was hätte sein können, ist erfüllt von Blutrünstigkeit
und Wehmut; sollte Owen seinem [332]  Fieber
erliegen, schien Mr.   Morrison nur allzu bereit, die Rolle zu übernehmen.
    Die Stadthalle war voll; zu meiner Überraschung hatte ich viele der
Zuschauer schon bei früheren Aufführungen gesehen. Rev. Lewis Merrill zum
Beispiel war zum zweiten, wenn nicht gar zum dritten Mal da! Er kam immer zur
Generalprobe, und oft auch zu einer der Aufführungen; er sagte Dan, es mache
ihm Spaß, zu sehen, wie sich die Schauspieler in ihre Rollen »hineinlebten«.
Ihm als Geistlichen muß Ein Weihnachtslied besonders
gefallen haben; diese Geschichte einer Bekehrung war geradezu herzergreifend – nicht nur eine Lektion in christlicher Nächstenliebe, sondern das Beispiel
eines Menschen, der angesichts jener anderen Welt demütig wird. Doch Rector
Wiggin konnte ich nicht im Publikum finden; ich erwartete auch nicht, Barb
Wiggin zu sehen – ich vermute, Owen Meanys Darstellung jener anderen Welt
reichte ihnen als Inspiration, jedenfalls bis zum nächsten Weihnachtsfest.
    Lewis Merrill, auf ewig umgeben von dem gequälten
Durchhaltevermögen, das seine Frau ausstrahlte, war zudem auch noch von seinen
unruhigen Kindern umgeben; die oft rebellischen, kaum jemals zu bändigenden,
ständig mißmutigen Kinder der Merrills stellten ihr Unbehagen darüber, daß sie
ins Theater geschleppt worden waren, deutlich zur Schau. Der schlaksige
Älteste, der notorische Friedhofsvandale, streckte seine Beine in den
Mittelgang und störte sich nicht daran, daß ältere, gebrechliche und unachtsame
Besucher darüber stolpern konnten. Das mittlere Kind, ein Mädchen – mit
schrecklich kurzen Haaren, die zu dem quadratischen, formlosen Körper paßten – grummelte laut über seinem Kaugummi. Sie war so tief auf ihren Sitz
hinabgerutscht, daß sich ihre Knie dem unglücklichen Zuschauer auf dem Platz
vor ihr in den Nacken drückten. Das war ein plumper, freundlicher Herr
mittleren Alters, der irgend etwas Naturwissenschaftliches an der Gravesend
Academy unterrichtete; als er sich umdrehte, um das [333]  Mädchen
mit einem wissenschaftlichen Blick zu tadeln, brachte sie eine große
Kaugummiblase direkt vor seinem Gesicht zum Platzen. Das dritte und jüngste
Kind, von unbestimmbarem Geschlecht, krabbelte unter den Sitzen herum,
versetzte die Fußgelenke mehrerer überraschter Theaterbesucher in Panik und
beschmierte sich mit einer Schicht Ruß und Asche – und mit allem möglichen
Schmutz, den die Leute mit ihren Winterschuhen hineingetragen hatten.
    Diese ganzen Unannehmlichkeiten, die ihre Kinder verursachten,
erduldete Mrs.   Merrill schweigend. Obwohl ihr die Kinder ganz offensichtlich
Unbehagen bereiteten, protestierte sie nicht – da ihr nahezu alles Unbehagen
bereitete, hielt sie es für ungerecht, gerade ihren Kindern die Schuld zu
geben. Mr.   Merrill ließ sich nicht stören und starrte auf die Mitte der Bühne,
war anscheinend von der Spalte, wo sich der Vorhang teilen würde, in Bann
geschlagen; er schien zu glauben, er könne es durch besonders gründliches
Mustern, durch einen Akt höchster Konzentration schaffen, den Vorhang dazu zu
bewegen, sich zu teilen. Warum war er dann so erstaunt, als er sich tatsächlich
teilte?
    Warum war ich so erstaunt über den
Applaus, mit dem der alte Scrooge in seinem Kontor begrüßt wurde? So fing das
Stück jeden Abend an; doch erst am Weihnachtsabend fiel mir auf, wie viele von
ebendiesen Zuschauern auch damals auf den Holzbänken gesessen hatten, an jenem
Sommertag – und applaudierten oder gerade applaudieren wollten, weil Owen Meany
den Ball so kraftvoll geschlagen hatte.
    Ja, da saß der dicke Mr.   Chickering, dessen Trainingsjacke mir einen
allzu genauen Blick auf die tödliche Verletzung meiner Mutter verwehrt hatte;
ja, da war auch Polizeichef Pike. Wie immer saß er in der Nähe der Tür, sein
mißtrauischer Blick schweifte gleichermaßen über die Zuschauer wie über die
Bühne, als habe Chief Pike den Verdacht, der

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