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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sollen.
    Vielleicht war Buzzy nicht da, weil er katholisch war; Owen meinte,
das könne der Grund sein, doch es waren genug andere Katholiken da – Owen ließ
nur seinen Vorurteilen freien Lauf. Und vielleicht tue ich Buzzy unrecht;
vielleicht war er doch da – schließlich war die Kirche brechend voll,
genausovoll wie bei der Hochzeit meiner Mutter. Auch all die altjüngferlichen
Bekannten meiner Großmutter waren wieder da. Ich weiß, was sie sehen wollten.
Wie reagiert eine Majestät auf so twas ? Wie reagiert
Harriet Wheelwright auf einen solchen Schicksalsschlag, auf etwas so
Außergewöhnliches, auf ein Zeichen Gottes (wenn man daran glaubte)? All diese
alten Jungfern, schwarzgekleidet und zusammengekrümmt saßen sie da wie Krähen,
die sich um ein auf der Straße totgefahrenes Tier scharen – sie waren zur Messe
gekommen, als wollten sie sagen: Wir erkennen, lieber Gott, daß Tabby
Wheelwright nicht ungeschoren davonkommen durfte.
    »Ungeschoren davonkommen« war eine Todsünde in New Hampshire. Und
der raubvogelähnlichen Wachsamkeit in den blitzenden Augen der Bekannten meiner
Großmutter konnte ich deutlich entnehmen, daß meine Mutter – ihrer Ansicht nach – ihrer gerechten Strafe nicht entkommen war.
    Buzzy Thurston, ob er nun da war oder nicht, kam auch nicht
ungeschoren davon. Ich hatte eigentlich nichts gegen Buzzy – [187]  schon gar nicht, nachdem er sich für Owen stark
gemacht hatte, als Owen und ich mit einigen seiner katholischen
Klassenkameraden wegen einem kleinen Vorfall bei der katholischen
Gemeindeschule St.   Michael’s Ärger bekamen. Doch Buzzy Thurston wurde für seine
Rolle beim Baseballspiel hart verurteilt (wenn man so etwas als Urteil
bezeichnen will). Auch er hatte nicht das Zeug für die Gravesend Academy;
dennoch durfte er dort das letzte Jahr absolvieren, weil er ein guter Sportler
war – er beherrschte die klassischen Sportarten von Neuengland: Football,
Hockey und Baseball.
    Er war nicht brillant, in keinem Fach, doch für die staatliche
Universität reichte es, und dort studierte er Sport. Ein Jahr mußte er wegen
einer Knieverletzung pausieren, und er schaffte es, noch ein Jahr an der
Universität herauszuschinden – so daß er nochmals zurückgestellt wurde. Danach
sollte er eingezogen werden, doch er bemühte sich verzweifelt, der Reise nach
Vietnam zu entkommen, indem er sich für die Musterung vergiftete. Zwei Wochen
lang trank er jeden Tag mehr als einen halben Liter Bourbon; er rauchte so viel
Marihuana, daß sein Haar roch wie ein Schrank voller Oregano; beim Backen von
Pejote steckte er den Ofen seiner Eltern in Brand; wegen Verdauungsproblemen
wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem er im Rahmen eines LSD -Trips in der Überzeugung, sein Hawaiihemd sei
eßbar, etliches davon konsumiert hatte – einschließlich Knöpfen und
Tascheninhalt: einem Streichholzbrief, einer Packung Zigarettenblättchen und
einer Büroklammer.
    Da das Rekrutierungsbüro von Gravesend recht provinziell war, wurde
Buzzy für psychisch untauglich erklärt, was er auch angestrebt hatte. Nur
leider hatte er sich mittlerweile an Bourbon, Marihuana, Meskalin und LSD gewöhnt; ja er mochte die Drogen so sehr, daß er
eines Abends in der Maiden Hill Road am Steuer seines Wagens starb, als er mit
Vollgas in die Befestigungsmauer der Eisenbahnbrücke donnerte, die nur ein paar
hundert Meter [188]  unterhalb von Mr.   Meanys
Granitsteinbruch lag. Mr.   Meany holte die Polizei. Owen und ich kannten diese
Brücke recht gut; sie kam direkt nach einer scharfen Kurve am Ende eines recht
steilen Gefälles – man mußte sehr vorsichtig fahren, selbst auf dem Fahrrad.
    Es war die wenig geachtete Mrs.   Hoyt, die feststellte, daß Buzzy
Thurston nur ein weiteres Opfer des Vietnamkrieges war; obwohl ihr niemand
Gehör schenkte, behauptete sie, der Krieg sei der Grund für den Mißbrauch, den
Buzzy auf so vielfältige Weise mit sich selbst getrieben hatte – genauso sicher
wie der Krieg ihren Harry niedergestreckt hatte. Für Mrs.   Hoyt waren diese
Dinge symptomatisch für die Zeit des Vietnamkrieges: der exzessive Drogen- und
Alkoholkonsum, die selbstmörderische Raserei mit dem Auto und die Bordelle in
Südostasien, wo viele jungfräuliche Amerikaner ihre ersten und letzten sexuellen
Erfahrungen machten – ganz zu schweigen von den Kettenvipern, die unter den
Bäumen lauerten!
    Mr.   Chickering hätte noch viel mehr Grund zu weinen gehabt – nicht
nur wegen der plötzlichen Laune,

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