P. S. Ich töte dich
Stuhl, tat so, als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen, und spielte seine albernen Ratespielchen. Vielleicht war es gar kein Spiel, vielleicht wusste er tatsächlich etwas über sie. Vielleicht war er ihr gefolgt und nicht zufällig vor dem Fitness-Studio aufgetaucht. Vielleicht war er in ihrer Wohnung gewesen, hatte sich an den Lichtschaltern und der Heizung zu schaffen gemacht. Und an ihrem Bett.
Sie stand auf.
»Lass mich in Ruhe«, murmelte sie. »Geh mir nicht nach.«
Sie hastete dem Ausgang entgegen, hörte hinter sich das Rumpeln von Stühlen und Schritte, die ihr folgten. Sie riss die Tür auf und stürzte nach draußen, hinein in die wirbelnden Flocken, fort von der Brücke.
»Rina!«, rief er ihr nach, als kenne er schon lange ihren Namen.
»Du bist krank!«, schrie sie in die Dezemberdunkelheit und spürte, dass sie nicht in der Lage war, vor ihm davonzulaufen. In diesem Moment rollte ein Taxi heran, sie winkte, es hielt, sie riss die Tür auf und warf sich auf die Rückbank. Als sie aus dem Fenster blickte, war er nicht mehr da. Sie ließ sich ins Polster zurücksinken und strich die nassen Haare nach hinten.
»Schreckliches Wetter«, sagte der Fahrer.
»Geht schon«, entgegnete sie keuchend.
Er drehte sich halb zu ihr herum. Da fiel ihr auf, dass sie schon früher mit ihm gefahren war, doch erkannte sie nur sein halbes Gesicht und den kahlen Schädel. Sie meinte, sich zu erinnern, er habe freundliche Augen.
»Ich will nach …«
Sie wurde von einer knisternden Frauenstimme unterbrochen, die sich in diesem Moment über das Funkradio meldete. Der Fahrer würgte sie ab, trat aufs Gaspedal und raste bei Rot über die Kreuzung.
»Ich weiß, wo du hinwillst«, sagte er und zwinkerte ihr im Rückspiegel zu.
Aus dem Norwegischen von Knut Krüger
Vita reducta
Petra Busch
S ein Körper war ein riesiger lichter Schmerz. Seine Seele ein einziger Schrei.
Er lag auf dem Rücken, versuchte, das Zittern zu unterdrücken und die schweren Augenlider zu öffnen. Gleißendes Licht. Gelb. Weiß. Ein Flirren.
Schützend kniff er die Augen wieder zu. Registrierte sein gehetztes Schnaufen. Sein Herz, das gegen die Rippen hämmerte, und seinen Brustkorb, der sich mit kalter Angst füllte, mit jedem Atemzug zu bersten drohte.
Er wollte brüllen. Würgte nur. Wollte sich bewegen. Doch er lag wie aus Eis gemeißelt.
Das musste ein Traum sein! Wach auf!, befahl er sich.
Er öffnete ein Auge. Das zweite. Blinzelte. Ließ die Lichtstreifen vorsichtig herein. Blaugraue Schleier, dazwischen tanzende Lichtpunkte.
Das war kein Traum!
Er zwang sich in die Realität, versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Zerfetztes Pkw-Blech
.
Öl auf dem Boden
. Aus den Schleiern tauchten Erinnerungen auf.
Ein Mann. »Da ist nicht mehr viel zu machen.«
Wie Nebelfetzen zogen die Bilder an ihm vorüber und verloren sich in einem fernen Nichts
. Ein Fauchen. Die blaue Flamme eines Schweißgeräts.
Sein eigener Schrei riss die Bilder fort, echote in seinem Schädel. Erlöste ihn denn keiner von diesen Schmerzen? Von dieser Pein, die ihre spitzen Zähne in jeden Millimeter seines Leibes schlug, von innen und außen, wie ein ausgehungertes Raubtier?
Rettete ihn denn niemand?
Berge. Eine Serpentine. Er sitzt am Steuer. Das Licht blendet. Die Eisfläche glitzert.
Ein Crash! Er hatte einen verdammten Crash gebaut. Lag er im Krankenhaus?
Er lauschte. Vernahm nichts als das rasende Hämmern in seinem Innern. Den rauschenden Puls.
Verdammtes Zittern, das er nicht unter Kontrolle bringen konnte!
Eine Stimme. Klappern. Eine Hand, die ihm einen weißen Plastikbecher reicht.
Endlich kam Hilfe! Ein Arzt!
Wenn es nur nicht so verflucht kalt wäre. So beschissen kalt. Hatten sie ihn nicht ordentlich zugedeckt? Seine Augen gingen hin und her. Trüber Dunst. Schwere Stille.
Verdammt noch mal, was war hier los?
Wut mischte sich unter seine Panik. Wo steckten diese Halbgötter in Weiß? Ließen sie ihn hier armselig verrecken?
Übelkeit stieg in ihm hoch, ätzte sich durch seine Kehle bis in den Mund. Er spuckte aus, doch nur ein klebriger Speichelfaden legte sich auf seine Lippen.
»Hurensöhne! Gebt mir was gegen diese Schmerzen!« Seine Stimme verhallte in der Leere.
Mühsam verlagerte er sein Gewicht, wälzte sich ein Stück zur Seite. Dort musste es doch eine gottverfluchte Tür geben! Gleich würde eine dieser Schwestern hereinkommen, Pillen auf einem Tablett vor prallen Titten hertragen, Befreiung von diesem Wahnsinn. Er
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