P., Thomas
in seinem Hauptberuf Waffensysteme
beim Bund. Als er noch einfaches Member in Jever war, ging das wohl gerade
noch gut. Bei einem Chapter-Präsidenten von Gremium MC sah die Bundeswehr aber
offenbar genauer hin.
Gut war nur, dass auch bei den Behörden der Gremium MC
noch als einigermaßen reiner Motorradclub galt. Zwar gab es immer mal wieder
Zwischenfälle, und natürlich verdienten nicht alle Mitglieder ihr Geld als
Beamte und Bankangestellte. Es kamen auch immer mal wieder zwielichtige, halb
legale oder gar illegale Aktivitäten an die Öffentlichkeit, und natürlich gab
es auch Member, die vielleicht einen Puff laufen hatten. Aber das Ganze war
lange nicht so gigantisch, wie ich das später bei den Hells Angels oder bei den
Bandidos kennenlernen sollte. Im Gegensatz zu den Tacos oder Rot-Weiß kamen bei
Gremium nicht ganz so viele Einnahmen aus dem Rotlichtmilieu, dem Drogengeschäft
oder der Schutzgelderpressung.
Gremium MC war stets ein reiner Club. Das zumindest war
mein Eindruck. Es gab keine Nebengeschäfte, und die Mitglieder hatten auch
nicht die Möglichkeit, über den Club etwas zu verdienen. Den Unterschied konnte
man an Kleinigkeiten ablesen. Bei Gremium bekam man als Member für den Clubabend
einen Getränkebon in Höhe von zehn Euro, danach musste jeder ganz normal
zahlen, damit die Sache überhaupt finanzierbar war. Bei den Angels indes gab es
alles umsonst — und damit ist nicht nur der Alkohol gemeint. Woher das Geld
dafür kam, kann sich jeder denken. Spendengelder waren es jedenfalls keine...
Bei Gremium musste man nicht kriminell sein, um mitfahren
zu können. Es gab nur eine Anforderung, die allerdings auch nur selten gehalten
wurde: Man musste »gerade« sein. Rot-Weiß und die Tacos hatten wohl ein paar andere
Anforderungen an ihre Mitglieder - auch wenn sie das so öffentlich nie
eingestehen würden.
7.
Es ließ sich ganz gut an mit unserem Chapter Aurich. Auch
wenn wir im ganzen ersten Jahr bei unserer überschaubaren Mitgliederzahl von
sieben Mann geblieben waren, was unter anderem auch daran lag, dass ich
letztlich doch die meisten Member davon überzeugen konnte, nicht jede
bescheuerte Dumpfbacke in unseren Club aufzunehmen. Das hatte durchaus seine
guten Seiten, denn damit wichen wir doch ganz entschieden von der allgemeinen
Gremium-Linie ab.
Auch meine bundesweite »Karriere« im Gremium MC nahm
langsam Fahrt auf. Wegen meiner unzweifelhaften Kompetenzen im Bereich Werk-
sowie Personenschutz und Security sollte ich eine Einsatzgruppe leiten, zu der
aus allen Chaptern im Norden ein paar Leute abgestellt werden mussten. Diese
Einsatzgruppe sollte dann Ordnung schaffen, wann immer das nötig war: Das
konnte die Auflösung renitenter Clubs sein oder auch nur die Absicherung von
verschiedenen Veranstaltungen. Ich durfte mich fortan »Security Chief Nord«
nennen und hatte somit plötzlich einigen Einfluss. Ich war mit einem Mal
Ansprechpartner für alle Chapter und andere Clubs. Wann immer sich ein Motorradclub
oder eine MFG (Motorrad-Fahr-Gemeinschaft) gründen wollte, wurde ich um die
Genehmigung gefragt. Und die habe ich dann erteilt. Oder eben auch nicht.
Meine Idee war es auch, in Aurich einen runden Tisch aller
Motorradclubs zu etablieren. Wir wollten von Anfang an niemandem ans Bein
pissen. Obwohl wir das als Chapter eines großen Clubs, des einzigen großen
Clubs in Aurich, sehr gut hätten tun können. Nein, wir wollten mit allen reden
und hatten auch von Anfang an gesagt, dass wir keine anderen Clubs auflösen
würden - wir wollten lediglich mitreden. Auch und besonders, was Neugründungen
anbelangte. Wir haben uns in der Folgezeit einmal im Jahr am runden Tisch
getroffen, all die wichtigen Dinge durchgesprochen und sind dabei auch den
Jahresterminkalender durchgegangen, damit es keine Überschneidungen bei Partys
oder Versammlungen gab. Plötzlich war Ordnung in der Region, und Jever hatte
nie zuvor derart viele Biker innerhalb seiner Stadtgrenzen gesehen. Wir
schienen tatsächlich etwas richtig zu machen mit unserer Politik der offenen
Tür.
Genau das war unser Ziel. Wir wollten nicht nur auf das
Colour schauen, sondern auf die Kerle, die in diesen Kutten steckten. Und siehe
da, es gab auch bei unbedeutenden Dorfclubs immer mal wieder brauchbare Leute.
Und die hatten ihrerseits den Vorteil, einen großen Club an ihrer Seite zu
wissen. Plötzlich war da ein gegenseitiger Respekt, der in Freundschaft
umschlagen konnte - unabhängig von den Patches auf dem
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