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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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ihr im lockeren Plauderton zu erzählen, dass Matthias Glatthaler hier war und sie besuchen wollte. Vielleicht war bei einer solch komplizierten Angelegenheit die Zwei-Fliegen-mit-einer-Klappe-Strategie doch nicht das Richtige. Ihre Tochter hatte empört den Laden verlassen. Aber das war noch nicht das Ende vom Lied, ganz und gar nicht!
    Wenn Susn das Dirndl erst zu Hause hätte, würde sie schon einsehen, dass es genau das richtige Gewand für die Hochzeit war. So viel zu Punkt eins. Punkt zwei, Matthias, war komplizierter. Vor allem, weil er gestern, nach dem Zwischenfall mit dem nackerten Akkordeonisten, so seltsam gereizt gewesen war. Bevor sie ihn fragen konnte, warum er sie so plötzlich allein auf der Tanzfläche hatte stehenlassen, war seine Abendverabredung, der Künstler, angekommen, und sie hatte sich immer unwohler gefühlt, auch unter den Blicken des Künstlers, und sich bald verabschiedet. Im Taxi zum Bahnhof hatte sie nach dem nackerten Akkordeonisten Ausschau gehalten, ihn aber nirgendwo gesehen. Mei, gesund war das nicht, so durch München zu laufen, die Frühlingsnächte waren noch frisch! Und wie er gespielt hatte … Wäre so ein Mannsbild mit einem Akkordeon und dieser betörenden Musik nicht genau das Richtige für den Pfingstmarkt?
    Überwältigt von diesem Einfall blieb sie stehen, presste das Hochzeitsdirndl an sich. Könnte man so der letzten Frechheit aus Mohnau, der geplanten Aufführung eines orientalischen Schleiertanzes, etwas entgegensetzen? Der ganze Landkreis sprach von diesem kommenden Ereignis, seit der Gründung der Bauchtanzgruppe Mohnau, zu der sich auch Abtrünnige aus umliegenden Orten, zum Beispiel Toni, angemeldet hatten. Was wäre denn das für ein Coup, wenn Neuenthal plötzlich einen Akkordeonisten im Dirndl dagegensetzen würde! Oder gleich in der blaukarierten Unterhose, in der er geflüchtet war? Wovor eigentlich? Und wie sollte sie an seine Adresse kommen? Einfach in der Fetisch-Bar anrufen? Aber halt. Würde ein Mannsbild im Dirndl nicht die Toleranzkapazität Neuenthals sprengen? Einen Skandal konnte sie nicht brauchen. Sie war schließlich seriös!
    Ob man einen solchen … Transvestiten überreden konnte, eine normale Trachtenlederhose anzuziehen, vielleicht ein besonders elegantes Modell? Elektrisiert von dieser Idee setzte sie sich wieder in Bewegung, überquerte den neu angelegten Waldparkplatz, den Kleiderbügel fest in der Hand.
    Jetzt, in der Vorsaison, war der Parkplatz verwaist. Aber allzu viel war im Sommer auch nicht los. Hinter dem Parkplatz eine Reihe Häuser, mit dezent bayerischer brauner Holzfassade, eins sah aus wie das andere. In jedem vier große möblierte Appartements. Die eigentlich von Urlaubern bezogen werden sollten. Zu Höchstpreisen. Alles darin war vom Feinsten, Ledersofas, Parkett, ein Kamin. Aber wer in Neuenthal Urlaub machte, wollte kein Ledersofa, sondern eine bayerische Essecke und ein Hirschgeweih, das wusste jeder. Nur der Sohn von Veit Strobl nicht. Jetzt vermietete er billig, an Zugezogene. Oder Wieder-Zugezogene. Wie Susn mit ihrem Timo. Und Fredl Weidinger, dessen Dienststelle überraschend von Mohnau nach Neuenthal verlegt worden war. Vermutlich, weil die Mohnauer genug von seinen ständigen Razzien hatten. Gleich hatte er sich in Neuenthal breitgemacht. Und auf der Kirchweih Therese Engler frech vor aller Augen angebaggert. Sich schamlos auf alte Stehblues-Zeiten berufen, dieser glatzerte, wamperte Kerl mit seinem Achtziger-Jahre-Ringerl im rechten Ohr! Dreist war er geworden, ihre gewaschene Abfuhr hatte er verdient. Und sich kurz darauf mit dem mächtigsten Mann von Neuenthal verbündet. Einem wie Fredl Weidinger konnte sie Neuenthals Schicksal nicht überlassen!
    Therese schloss die Haustür auf, hielt das Dirndl wie eine Fahne vor sich und stapfte nach oben, vorbei an Fredl Weidingers greislichem Fußabtreter mit der Aufschrift: Kommens eini, schaungs aussi! Rein zufällig war er in die Wohnung direkt unter Susn gezogen, rein zufällig, ha! Und rein zufällig war der Strobl sein Vermieter und spielte mit. Um sie, Therese, im Auge zu behalten, warum sonst? Zustände, die von Rechts wegen längst angeprangert gehörten. Aber wie, wenn der einzig zuständige Journalist sich keinen Muckenschiss – keinen Mückenkot, Hochsprache, Therese, Hochsprache! – dafür interessierte, sondern lieber den fünften Bericht über die neu gegründete Bauchtanzgruppe in Mohnau schrieb, nur weil seine Frau … Mei, jetzt hatte sie ihre

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