Paarungszeit: Roman (German Edition)
lebhafteste zustimmte. War er nicht eine Schatz gewesen, was die Plakate betraf, und eine Arschlòch, als er feige den Schwanz einzog und sich davonmachte? Sie spürte, wie sie errötete, und goss schnell eine neue Runde Kräuterlikör ein. Verstand Delphine das Wort Schwanz womöglich im falschen Zusammenhang? Vermutlich kannte sie es aus den Übersetzungen ihrer Werke. Was sollte ihr interessierter Blick, sie erwartete doch wohl jetzt nicht, dass sie über Matts …
Stotternd erzählte Therese die Strobl-Geschichte weiter, berichtete über die Auswüchse ihrer Feindschaft – unter anderem hatte Strobl versucht, ihr Café schließen zu lassen – und dass der junge Strobl auch noch ihrer Tochter nachstellte. Obwohl Toni ihm ihre zungengepiercte Kathi bei jeder Gelegenheit aufdrängte.
Später kam Lucien herüber, brachte eine Flasche augenscheinlich aus Frankreich importierten Rotwein – aus Franzis Laden war er mit Sicherheit nicht! – und spielte auf seiner kleinen Gitarre gegen die nach wie vor aus Cedrics Zimmer dringenden, klagenden Chansons an. Warum lächelten Lucien und Delphine einander immer wieder zu, so verstehend? Um dann gemeinsam zu Therese herüberzulächeln. Einen Moment überlegte sie, ob sie jetzt nach der Fetisch-Bar fragen sollte, aber ohne Übersetzer schien ihr der Sachverhalt zu kompliziert, müde war sie auch. Sie entschied sich für ihr Bett und Willie Nelson.
Am nächsten Morgen war die Straße wieder voller Plakatmüll. Diesmal von den Plakaten der Gegner. Niemand hatte etwas gesehen, obwohl Neuenthal vor Gerüchten brodelte, geradezu überkochte. Von Mohnau und sogar von Sonnau kamen Neugierige, am Nachmittag, als Angestellte von Strobl die Wände mit neuen Plakaten von Fredl und dem amtierenden Bürgermeister bestückten. Vergeblich, wie sich am nächsten Morgen herausstellte.
Die nächsten Tage waren alptraumhaft, voller peinlicher Befragungen und Vorladungen, vor niemandem machte Fredl Weidingers kriminalistischer Spürsinn halt. Therese tat alles, um ihre Gäste zu schützen, versah sie sogar mit einem Alibi. Sie selbst, behauptete sie, sei nachts in der Pension gewesen und habe Lucien spielen und Delphine tippen gehört. Was nicht stimmte. Tatsächlich war es sogar ungewohnt still gewesen.
Fredl schäumte, befragte alle Mitglieder der Feuerwehrkapelle und besonders die Betreiber der Tauchschule, ließ sich französische Ausweise vorlegen, versäumte aber vollständig seine Polizistenpflichten, als in der verregneten Nachmittagsdämmerung dunkel gekleidete Jugendliche in Neuenthal einfielen, Therese Englers Plakate mit Mutti, go home! und Schlimmerem besprühten. Wobei ihr Mutti, go home weitaus mehr weh tat als Fuck. Ein Wort, das alle anderen aufbrachte. Delphine de Brulée, Lucien Ledoux, Leonhard und Quirin Engler traten zu Thereses Ehrenrettung an. Unterstützt von den ebenso empörten Sachsen rissen sie alles von den Wänden, was in Neuenthal klebte, auch die Ankündigungen des nächsten Sperrmülls, des Pfingstmarkts und des nächsten Preisskats im Gemeindehaus. Christiane Breitner und Therese Engler standen auf dem Balkon der Kaisersuite und sahen zu, auch Franzi und Özcan beobachteten das Geschehen vom Straßenrand, betroffen, aber interessiert, Anderl fluchte und warf den Besen hin, Resi brachte ihre Hühner in Sicherheit.
»Aber i bin doch hier dahoam, wohin soll i denn?«, fragte Therese ein ums andere Mal ihre Wahlberaterin. Die ihre Augenbraue auf einen Kurzurlaub hinter die Ponyfransen schickte, aber immerhin ihr Bayerisch nicht korrigierte.
»Nimm’s nicht wörtlich, denen fiel einfach nichts anderes ein.« Christiane Breitner legte ihr die Hand auf den Arm, lieh sich sogar den Lieblingssatz von Hartl: »Des kriag ma scho.«
Es musste schlimm um ihre Kandidatur stehen. Wirklich schlimm!
Wer hätte das geglaubt – sie selbst bestimmt nicht –, dass sie in solch düsterer Stimmung, mit bewölktem Gemüt, das im Übrigen perfekt zum Wetter passte, zum Pfingstmarkt fahren würde. In den letzten Tagen hatte es Stunden gegeben, in denen sie wünschte, sich nie selbst zur Wahl aufgestellt zu haben. Sollten doch die Fredl Weidingers dieser Welt die Macht an sich reißen! Warum begab sich Therese Engler immer höchstpersönlich an die Front, wenn doch niemand sie dort haben wollte? Seit Christiane Breitner die Umfrage verschickt hatte, mobilisierte sie ihre letzten Tapferkeitsreserven für den Tag der Erkenntnis. Aber alle Tapferkeitsreserven reichten nicht
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