Pacific Paradise - Boone Daniels 2
Reichtum ist mit dem Schmerz anderer erkauft.
»Ich rede mit dem großen Hai«, sagt Eddie, »nur der kann mir sagen, wann meine Zeit gekommen ist. Und er hat noch nichts gesagt.«
»Dann muss ich wohl mal ein Wort mit ihm wechseln.«
Eddie lacht. »Mach das, Boone-Bruder. Jetzt steh auf und sieh zu, dass du verschwindest. Meine Physiotherapeutin kommt gleich. Dicke Dinger, dass dir dein Rohr schwillt und ein Mund wie ein Staubsauger dazu. Apropos, müssen magere Zeiten für dich sein, jetzt wo Sunny ausgeflogen ist,oder rutschst du neuerdings über die kleine Britenpritsche?«
Er sieht, wie sich Boones Gesichtsausdruck verfinstert. »Hast du ein Problem? Du glotzt, als würden meine Füße stinken, oder was? Willst du einstecken, Alter, Prügelei Hawaii? Mit nackten Fäusten?«
»Wenn du den Hund und die Jungs nicht hättest …«
»Hab ich aber. Scheiße gelaufen.«
Er rutscht die Halfpipe runter.
Scheiße gelaufen, denkt Boone, als er sich aufrichtet und den Schmerz im Rücken spürt, an der Stelle, wo seine Niere gegen die eben erfahrene Misshandlung protestiert.
Eddie ist scheiße für die ganze Welt.
45
Rabbit und Echo fahren Boone, wieder zum Spy Store, damit er den Deuce abholen kann. Eddie ist bereit zu töten, aber er möchte niemandem Umstände machen, das würde gegen seine Auffassung von Aloha verstoßen.
»Ich hab was gut bei dir«, sagt Boone zu Rabbit.
»Tut mir leid, Bruder.«
»Tut mir leid.«
»Nichts Persönliches.«
»Persönliches.«
»Sokay«, sagt Boone. Ist schon gut.
»Voll die Härte«, sagt Rabbit.
»Voll di…
»Halt’s Maul.«
Rabbit und Echo können Boone eigentlich ganz gut leiden, weil er immer nett zu ihnen war, ganz zu schweigen davon, dass Eddie eine schützende Hand über Boone hält, auch wenn er ihn jetzt offiziell auf den Tod nicht ausstehen kann.
»Trau keinem Haole «, lautet Eddies neues Lebensmotto.
Jeden Morgen setzt er sich als Allererstes im Schneidersitz auf die Plattform seiner Halfpipe – bei ihm heißt das ungefähr um elf Uhr – und summt hundert Mal »om mane padme hung, trau keinem Haole«, oder so lange, bis er keine Lust mehr hat, das heißt, er hört meistens nach sechs Wiederholungen auf. Dann raucht er eine fette Pfeife Pakololo, um sein Aloha zu verbessern, was auch tatsächlich funktioniert.
Bis dahin hat der Koch das Dosenfleisch heiß gemacht.
Dann muss sich Eddie überlegen, wie er den Tag rumkriegt, ohne sich weiter als dreißig Meter vom Haus zu entfernen. Dazu gehören dann meist zahlreiche Geschäftsbesprechungen, seine Physiotherapeutin, seine Masseuse, unzählige Joints, Sonnenbäder, Skateboards und Callgirls für tausend Dollar die Stunde. Außerdem Videospiele mit Rabbit und Echo, die beide tunlichst vermeiden, auch nur ansatzweise zu gewinnen.
Ansonsten vertreibt sich Eddie die Zeit damit, auf medizinischen Websites herumzusurfen, weil notwendige Besuche beim Hausarzt nicht verboten sind. Eddie hat dementsprechend eine erstaunliche Anzahl körperlicher Symptome ausgebildet, die selbst den ambitioniertesten Hypochonder vor Neid erblassen lassen würden. Seit seiner Festnahme wurde Eddie auf Lupus, Fibromyalgie, Cholera und das seltene, aber hartnäckige »Raratonga-Fieber« getestet, weshalb er jetzt sogar einen Ausreiseantrag nach Luzern gestellt hat, weil er sich dort von dem weltweit einzigen und schon deshalb herausragenden Spezialisten für diese Krankheit – einem Haole – untersuchen lassen möchte.
Aber egal, Rabbit hat irgendwie ein schlechtes Gewissen, weil er Boone geschlagen hat und Echo … na ja … ist sein Echo. Sie setzen ihn am Deuce ab.
»Pass auf dich auf, ey, Boone?«
»Pass auf.«
»Bumbye«, sagt Boone.
Bis später.
Er steigt in den Deuce und fährt Richtung Sundowner.
Unterwegs ruft er zuerst Dan Nichols und anschließend Johnny Banzai an.
46
Boone duscht im Büro und tauscht die verschwitzten Klamotten gegen frische. Das heiße Wasser hilft, aber nur gerade so. Sein Gesicht ist vom »Erden und Hämmern« geschwollen und im Nacken hat er wunde, rote Stellen vom Würgegriff, was aussieht, als hätte er sich erhängen wollen, es sich aber kurzfristig anders überlegt. Sein ganzer Rücken schmerzt vom Aufprall auf die Matte und dem Schlag in die Nieren und Boone überlegt allmählich, ob er seinen Lebensunterhalt nicht doch auch anders verdienen könnte.
Er könnte Rettungsschwimmer werden – Dave hatte ihm schon oft einen Vertrag angeboten – oder auch etwas anderes …
Aber
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