Pakt mit dem Feind
erreichten, blieben sie in der Nähe einer baufälligen Hütte aus roh gehauenen Baumstämmen und verrostetem Blech stehen. Hier fiel das Ufer fast sechs Meter tief über eine Steilkante zum schlammigen Wasser des Brazos ab.
“Das ist die Entkörnungsanlage für Baumwolle, die mein Urahn bauen ließ”, erklärte Elizabeth und deutete auf das alte Blockhaus. “In früherer Zeit haben die Farmer aus einem Umkreis von vielen Meilen ihre Baumwolle hierher gebracht, damit sie entkernt, zu Ballen gebunden und verschifft werden konnte. Anfang des 19. Jahrhunderts fuhren Schaufelraddampfer den Fluss hinauf, um Waren zu verkaufen und die Ernte abzuholen. Die ersten paar Jahre, als die Siedler dabei waren, hier Fuß zu fassen, wurden hauptsächlich Pekannüsse und Pottasche für den Export produziert. Später ist das Geld über Baumwolle, Indigo und Zuckerrohrprodukte hereingekommen. Dann haben die Farmer angefangen, verschiedene Pflanzensorten im Wechsel anzubauen, um die Böden zu schonen.”
Aus ihrer Stimme klang echte Begeisterung für die Errungenschaften ihrer Vorfahren. “Das war natürlich lange, bevor die Regierung den Fluss oben bei Mineral Wells eingedämmt hat. Nachdem der Wasserstand gefallen war, kamen die großen Schiffe nicht mehr durch. Vorher war der Brazos ein tiefer, reißender Fluss mit klarem Wasser, der auf beiden Ufern von Seidenakazien gesäumt wurde, ‘Mimosa’, wie man sie hier nennt. Viele davon stehen heute noch. Das ist auch der Grund, warum die Farm Mimosa Landing heißt.”
Sie deutete hinunter. “Da kannst du die Überreste der alten Anlegestelle sehen.”
Max beugte sich vor und erspähte tatsächlich eine wackelige Holzkonstruktion, die auf halber Strecke zwischen ihrem Standpunkt und dem Wasser am Steilhang klebte. “Dieser Ort und deine Familie haben so einiges an Geschichte erlebt”, meinte er.
“Ja”, erwiderte sie. Ihre Stimme war von zurückhaltendem Stolz erfüllt.
“Wie viele Morgen Land gehören dir, alles zusammen?”
“Etwas mehr als dreitausend. Mein Urahn Asa Pierce Stanton hat den Hof auf ursprünglich sechshundert Morgen gegründet. Das war, kurz nachdem er mit Stephen F. Austin am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts nach Texas kam. Nach und nach kaufte er den Besitz von anderen Siedlern entlang des Flusses dazu, von Leuten, die nicht so erfolgreich waren. Als die Revolution der texanischen Provinz gegen Mexiko ausbrach, hatte er seinen ursprünglichen Besitz schon mehr als verdreifacht.”
Sie lächelte. “Als Asa hier zuerst eintraf, baute er ein Blockhaus mit zwei Räumen und begann mit der Farmarbeit. Als Nächstes hat er Nachricht nach Savannah geschickt und seine Liebste kommen lassen, Talitha Camille Brown.”
Elizabeth ging zu einer riesigen Akazie hinüber und stellte sich unter ihren weit ausladenden Schirm. “Genau hier hat ein Wanderprediger sie im Frühling 1830 getraut. Die Akazien und die Wildblumen standen in voller Blüte.”
“Wirklich?”, fragte Max. Er sah sich um. “Ich wette, das hier ist im Frühjahr ein wunderschönes Fleckchen.”
“Ja, das ist es”, stimmte sie zu. Sie kehrte an seine Seite zurück und schaute auf den Fluss hinunter, die Hände in den Manteltaschen vergraben. “Von 1833 bis April 1836 diente Asa in der texanischen Armee. Bei San Jacinto wurde er verwundet.”
“Bei der letzten Schlacht in dem Krieg?” Als Elizabeth nickte, schüttelte Max den Kopf. “Das war wirklich Pech.”
“Gott sei Dank hat er überlebt. Für seine Dienste hat er zusätzlich tausend Morgen fruchtbares Uferland erhalten, das an seinen Besitz angrenzte.”
Max stieß einen leisen Pfiff aus. “Das ist eine Menge. Gehört das Land immer noch zu Mimosa Landing?”
“Ja. Kein Stanton hat jemals auch nur einen Quadratzentimeter von unserem Land verkauft.”
“Ich nehme an, das wirst du auch nicht tun, oder?”
“Stimmt”, und die Zustimmung klang wie ein Schwur. “Nicht einmal, wenn ich dafür als Kellnerin in irgendeiner Spelunke arbeiten müsste.”
Max hätte beinahe laut herausgelacht bei der Vorstellung, aber im letzten Augenblick hielt er sich zurück. Sie meinte es todernst.
Er wandte seinen Kopf, um ihr Profil zu mustern. Nicht einmal, wenn du mich dafür heiraten musst, dachte er.
Warum der Gedanke ihn störte, wusste er nicht. Aber er störte ihn.
Ohne zu reden gingen sie eine Weile am Fluss entlang, ehe sie wieder umdrehten. In der Nähe des Hauses deutete Elizabeth auf eine alte Blockhütte. “Das ist das
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