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Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte

Titel: Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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anderen nicht in der Lage waren?«
    Giuseppe lächelte verlegen. »Irgendwann musst du es ja doch erfahren: Nachdem du uns verloren gegangen warst, hatte ich eine längere Unterhaltung mit Tozzo. Er zeigte mir, was für ein selbstgefälliger Hornochse ich gewesen war, und half mir dabei, die alten Tugenden der Oratores in mir zu wecken. Zwar reiche ich noch lange nicht an deine Wortschöpfungen heran, aber im Offnen von geheimen Wegen bin ich schon ganz gut. Mit einem Durchblicker habe ich deine Fährte aufgenommen und das Stollenlot hat mir den Geheimgang zum Turm geöffnet. Es sind nur tote Gegenstände. Im Vergleich zu deinen Antilowen…«
    »Jetzt hör auf, dich für deine Schöpfungen zu schämen. Dazu hast du keinen Grund. Ich bin stolz auf dich, Onkelchen. Wie konntest du übrigens die Hütte…?«
    »Die ist ganz von allein zu dem geworden, was sie schon immer gewesen war.«
    Pala schüttelte gedankenvoll den Kopf. »Nicht von allein. Ich fürchtete schon, verbrennen zu müssen, als ich überraschend in den Schlossturm versetzt wurde, kurz bevor du mich dort gefunden hast. Um alles wieder ins rechte Lot zu bringen, musste Zittos Bann erst erschüttert werden.«
    »Na, das ist nun auch egal. Komm, wir wollen endlich nach Hause…«
    »Halt!«, piepste das Nuschel von Palas Schulter.
    Die beiden Menschen verharrten auf der Stelle. »Was gibt’s denn noch?«, fragte das Mädchen.
    »Ich bleibe hier.«
    »In diesem Schuppen?«
    »Und in den Gäng’n und im Schlossgart’n.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Nuschels gehören hierher und sonst nirgendwohin.«
    Pala spürte, wie ernst es dem kleinen Pelzmännchen war. Sie seufzte, nahm es wie einen Teddybären in beide Hände und sagte ihm unter Tränen Lebwohl. Auch Giuseppe reichte dem Zwerg einen Finger, damit er ihn schüttelte. Ein letzter Kuss Palas besiegelte den Abschied.
    »Du bist überhaupt nicht mehr klebrig«, sagte sie traurig.
    »Ich hab-mich ja auch von Kopf-bis-Fuß abgeschleckt«, nuschelte Nuschel.
    Pala verzog das Gesicht zu einem Lächeln. Sie setzte das Nuschel auf den Boden und es entschwand mit flinken Sprüngen in die Nacht.
    »Er ist ein mutiges kleines Kerlchen«, sagte Giuseppe, während er behutsam Palas Hand ergriff.
    »Ja, das ist er«, seufzte sie und ließ sich von dem Erzähler fortziehen.
    Mit langen Schritten liefen sie den Hang hinab. Nach einem kurzen Stück Weges sagte Giuseppe: »Eines würde mich doch noch interessieren. Tozzo hat Zitto als ›König unter den Dichtern‹ bezeichnet. Ein solcher Mann müsste doch an der Vielfalt von Worten Freude finden. Warum wollte er dann allen Menschen die Sprache abgaunern?«
    Pala sah ihren Freund lächelnd von der Seite her an. »Ich glaube, die Antwort liegt in einer ihm angeborenen Schwäche: Er strebte nach Vollkommenheit.«
    »Das tue ich auch. Und mein Vater…«
    »Den hat dieses Feuer fast ausgebrannt, weshalb er sein Mundwerk an den Nagel hängte – ich weiß, Giuseppe, in meinen Adern fließt das gleiche Blut. Aber Zittos Ehrgeiz kannte keine Grenzen. Wie muss es ihn geschmerzt haben, als sein eigener Schüler ihn überflügelte! Nur deshalb verfasste er sein Meistersonett. Es sollte ihn wieder zum unangefochtenen König aller Dichter machen. Aber die Menschen ließen sich von den Gewogenen Worten nicht blenden. Das Ebenmaß bedeutungsvoller Verse ist nicht allein entscheidend.«
    Giuseppe nickte. »Wahre Größe misst sich nicht am Selbst, sondern am Willen und an der Fähigkeit Mitmenschen in ihrer Einzigartigkeit zu verstehen, sie dafür zu schätzen und zu lieben.«
    »Aber Zitto war nicht bereit, sich selbst zurückzunehmen. Er wollte für immer der größte Wortschöpfer sein. Doch Ruhm ist vergänglich, das hatte er aus der Erfahrung mit seinem Schüler gelernt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein anderer kommen würde, dessen Wortgewalt Zittos Meisterschaft überträfe…«
    »Und deshalb hat er sich gedacht: Es ist doch das Einfachste, sämtliche Konkurrenten ein für alle Mal mundtot zu machen.«
    »Genau. Er selbst sprach allerdings von ›Stille‹, nach der er sich sehne.«
    »Womit er nur die Ruhe außerhalb seines Gartenreiches meinte.«
    Pala nickte. »In Zittonien wäre er für alle Zeit der unumschränkte Herrscher gewesen.«
    »Wenn du mich fragst, war er ein ziemlich machtgieriger Knilch.«
    »Mir tut er eher Leid. Das Streben nach Vollkommenheit ist wohl nicht verkehrt, solange man sich und anderen auch Schwächen zugesteht. Aber Zitto hat daraus

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