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Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte

Titel: Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Werbefeldzug, da haben wir alle Hände voll zu tun.«
    »Aber ich muss mit jemandem reden. Heute habe ich Pasquale vor den Kopf gestoßen und jetzt fühle ich mich so elend. Am liebsten würde ich…«
    »Später, meine Große«, ging die Mutter dazwischen. »Heute Abend kannst du mir alles erzählen.«
    Unverrichteter Dinge stolperte Pala wieder auf den zukünftigen Zittoplatz hinaus. Vor dem Rathaus war ein Kran gerade damit beschäftigt, eine große Tafel hochzuziehen, die den alten Wandspruch ersetzen sollte.
     
    ZzZzZzZ! Zaudern zerstört Zinsen – zur Zukunft zeigt Zitto
     
    »Ich werde ihm meine Stimme geben«, sagte ein Mann, der im Gespräch mit einem anderen an der staunenden Pala vorüberschlenderte.
    »Meine hat er auch«, sagte sein Begleiter. »Höchste Zeit, den Mief des finsteren Mittelalters aus der Stadt zu vertreiben. Wenn Zitto erst Bürgermeister ist, kann er Silencia endlich so umkrempeln, wie er will.«
    Pala kam sich vor, als hätte sie zu viel Punsch getrunken – auf dem Nachhauseweg drehte sich alles um sie herum. Ihre Umgebung nahm sie kaum wahr. Da pfiffen ihr zwei junge Dachse hinterher – in letzter Zeit eine sich häufende Erfahrung – und sie hörte es nicht einmal. Selbst als sich ihr wenig später einige baumlange Burschen mit versteinerten Gesichtern in den Weg stellten, stampfte Pala wie eine Lokomotive weiter. Warum anhalten? Diese Jungen waren genauso verwirrt wie sie. Ihre Eltern hatten sie mit dem Erwachsenwerden allein gelassen. Jetzt suchten sie Schutz im Rudel, wollten mit diesem zu einer Furcht einflößenden Bestie verschmelzen. Aber die Summe vieler Feiglinge ergibt noch keinen Helden. Und weil die wilde Meute, ungeachtet ihres grimmigen Aussehens, in Wirklichkeit doch nur aus einem Haufen verängstigter Milchbärte bestand, kam sie mit diesem vermeintlich mutigen Mädchen nicht zurecht. Nicht einer packte zu.
    Pala wollte nur nach Hause. Die Geräusche der Stadt kamen ihr wie das Stampfen, Zischen und Klappern einer gigantischen Maschine vor, in der Lebewesen keinen Platz mehr hatten. Wie Unfallverhütungsvorschriften hingen Zittos neue platte Parolen und eingängige Werbesprüche an den öffentlichen Gebäuden, ja sogar schon an einigen Wohnhäusern. Die alten Wandgedichte schienen nur das Räderwerk des Fortschritts zu stören.
    Pala wanderte an dem ehemaligen Stadttheater vorbei. Schauspiel galt neuerdings als Volksverdummung. Der wuchtige würfelförmige Bau, unter dessen hoher Decke sich einst wohlgesetzte Worte mit zauberhaften Bühnendekorationen verbanden, beherbergte jetzt Zittos Institut zum Wegschließen schriftlicher Gedanken. Auch an der Außenwand des Archivs konnte man bereits das ZzZzZzZ lesen, das griffig abgekürzte »Zaudern zerstört Zinsen – zur Zukunft zeigt Zitto«.
    Trotzig wandte sich Pala von dem Klotz ab. »ZzZzZzZ«, zischte sie leise. Der ekelhafte Z-Bandwurm hörte sich für sie an wie das lange Ausatmen vor einem tiefen Schlaf. Mehr noch als dieses Gedankenbild störte sie jedoch, ausgerechnet von einem Werbespruch Zittos angeklagt zu werden, denn was sonst hatte sie neulich gelähmt als ihr ängstliches Zaudern nach der Verstummung von Caterina Knüttelvers? Eine gemeine Stimme fistelte in ihrem Geist: Warum musstest du auch mit der Suche nach Caterinas Urgroßmutter so lange warten? Bei etwas mehr Entschlossenheit wäre dir das Geheimnis aus ihrem Keller nicht durch die Lappen gegangen. Vor einer Woche war die alte Dame für immer eingeschlafen. Ihr gesamtes Schrifttum wurde, so verlangte es eine kürzlich erlassene behördliche Anordnung, von Arche Zitto eingelagert – auf Nimmerwiedersehen.
    Als Pala endlich in die Alexandrinergasse einbog, wurde sie vom Lärm eines Menschenauflaufs aus ihren trüben Gedanken gerissen. Sie entdeckte mehrere Polizeimotorroller. Gerade traten zwei Uniformierte mit Pasquales Vater vor die Tür. Einige Leute applaudierten, andere stießen Verwünschungen gegen den Gebrauchsdichter aus. Abfällige Parolen drangen an Palas Ohr.
    »Kinderschänder!«, rief eine Frau mit Schrubber in der Hand.
    »Rabenvater!«, wetterte eine, man glaubte es kaum, sonst lammfromme Nachbarin.
    »Eingesperrt gehört er«, geiferte ein älterer Herr, mit dem Pasquales Vater früher gerne Schach gespielt hatte.
    Man sattelte den vermeintlichen Schwerverbrecher, durch Handschellen gesichert, auf eines der Zweiräder. Ein Polizist ritt mit ihm davon, die anderen hinterher.
    Endlich hatte Pala den immer noch pöbelnden Haufen

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