Paladin der Seelen
Wartezeit, an die monatlichen Enttäuschungen. Meine Mutter pflegte mir belehrende Briefe zu schreiben, voller Ermahnungen und Ratschläge, was meine Ernährung betraf, als wäre ich Schuld daran, dass mein Leib leer blieb.«
Aufmerksam hob Cattilaras den Blick. »Wie ungerecht! König Ias war wirklich ein alter Mann – viel älter als Arhys!« Sie zögerte; dann fragte sie schüchtern: »Habt Ihr irgendetwas Bestimmtes getan? Um Iselle zu bekommen, meine ich?«
Ista verzog das Gesicht, als wieder Zorn in ihr aufstieg. »Jedes Kammerfräulein im Zangre kannte ein Dutzend Hausmittel und wollte sie mir aufdrängen. Egal, ob sie selbst schon ein Kind ausgetragen hatte oder nicht.«
Mit unerwartetem Sarkasmus hakte Cattilara nach: »Hatten sie auch Ratschläge für Ias?«
»Eine schöne junge Braut sollte Stärkungsmittel genug für ihn sein.« Am Anfang zumindest war es so gewesen. Doch Ias’ seltsam scheue anfängliche Wollust verblasste im Laufe der Zeit, insbesondere nach seiner Enttäuschung über die Geburt eines Mädchens, so gut er diese sonst auch verborgen hielt. Das Alter und der Fluch waren Erklärung genug für seine übrigen Schwierigkeiten. Statt schädliche Tränke zu schlucken, hatte er zur Anregung vermutlich lieber heimlich Abstecher zu seinem Liebhaber unternommen, ehe er ihre Gemächer aufsuchte. Hätte ihre Unfruchtbarkeit fortgedauert, hätte Lord dy Lutez dann Ias womöglich überredet, den Zwischenschritt auszulassen und ihn unmittelbar in ihr Bett zu lassen? Wie lange hätte es gedauert, bis der unbarmherzige Erwartungsdruck Istas Einwilligung erzwungen hätte? Die Entrüstung über derartige Angebote brannte umso heißer, wenn sie eine tatsächliche Versuchung überdecken musste, denn Arvol dy Lutez war ein eindrucksvoller Mann gewesen. Zumindest diesen Teil von Cattilaras unangemessenem Zorn auf ihren Schwager Illvin verstand Ista nur zu gut.
Ista blinzelte. Plötzlich kam ihr eine Lösung für das verzwickte Problem in den Sinn, wie sie Cattilara – und ihren Dämon – während Illvins mittäglichem Erwachen unter Kontrolle halten konnte. Eine hässliche Täuschung, aber wirksam. Glattzüngig fügte sie hinzu: »Was ich vor meiner Schwangerschaft mit Teidez als Letztes ausprobierte, war ein Breiumschlag aus Fingerlilien. Dieses Mittel stammte von Lady dy Varas alter Amme, soweit ich mich erinnere. Lady dy Vara schwor darauf. Sie hatte damals bereits sechs Kinder.«
Plötzliches Interesse lag in Cattilaras Blick. »Fingerlilien? Von solchen Blumen habe ich noch nie gehört. Wachsen sie hier im Norden?«
»Ich weiß es nicht. Ich dachte, ich hätte ein paar davon gesehen, in der Nähe der Wiese, wo Lord Arhys sein Lager aufgeschlagen hatte. Liss würde die Blumen erkennen, da bin ich mir sicher.« Hinter Cattilaras Schulter zuckten Liss’ Augenbrauen protestierend nach oben. Ista hob zwei Finger und ermahnte sie zu schweigen. Dann fuhr sie fort: »Die alte Amme hatte erzählt, dass die Pflanzen von der Bittstellerin selbst geschnitten werden müssen, barfuß und zur Mittagsstunde, wenn die Sonne am fruchtbarsten ist. Geschnitten mit einem silbernen Messer und einem Gebet an die Mutter. Anschließend müssen die Blütenblätter in ein Seihtuch – oder in Seide, wenn es eine Dame ist – geschlagen und um die Taille getragen werden, bis man das nächste Mal bei seinem Ehemann liegt.«
»Wie war der Wortlaut des Gebets?«, wollte Lady Cattilara wissen.
»Es gab keine besonderen Worte. Es musste nur aus tiefstem Herzen vorgebracht sein.«
»Und das hat bei Euch geholfen?«
»Wie kann man sicher sein?« Tatsächlich hatte sie niemals eine der Kurpfuschereien ausprobiert, zu denen all die Wohlmeinenden ihr geraten hatten. Ausgenommen die Gebete. Und wir alle wissen, wie gut das am Ende geholfen hat. Ista dachte gerade über ihren nächsten Köder nach, als ihr der Fisch ins Netz sprang.
»Majestät, da es heute Mittag ja keine Festlichkeit für die Damen geben wird … könnte ich mir Eure Zofe Liss ausborgen, damit sie mir hilft, einige dieser Blumen aufzuspüren?«
»Aber gewiss, Gräfin.« Ista lächelte. »Ich werde mich derweil ausruhen und Briefe schreiben.«
»Ich sorge dafür, dass Euch ein Mittagessen gebracht wird«, versprach Cattilara, knickste und ging hinaus. Um nach einem silbernem Messer und einem Seidentuch zu suchen, vermutete Ista.
»Majestät«, zischte Liss, nachdem die Schritte der Gräfin auf die Treppe an der Außenseite verklungen waren. »Ich weiß gar
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