Paladin der Seelen
zumindest zur Hälfte wie von Arhys. Mach es jetzt, solange du noch kannst.« Hatte sich der dunkle Knoten unter ihrem Brustbein bewegt?
Es folgte kurze Stille; dann zischte sie: »Ich will nicht das Zweitbeste. Er konnte mich ohnehin nie leiden. All seine dummen Scherze, die ich nie verstanden habe. Es gibt keinen anderen Mann für mich als Arhys. Es wird niemals einen anderen Mann für mich geben als ihn. Für immer und ewig.«
Der Knoten schrumpfte scheinbar in sich selbst zusammen. Ja, dachte Ista. Du bist gewiss nicht die Art von Schwangerschaft, die sie sucht.
Cattilara öffnete die Hände. Von den Spitzen ihrer gebogenen, straff und schmerzhaft angespannten Finger spann sich ein Faden weißen Feuers. »So. Das sollte lang genug halten.« Sie erhob sich von dem quietschenden Bett und schlug das Gewand wieder zusammen. Zog die Decke empor, ganz behutsam, und senkte sie auf Illvins Brust hinunter. Ihre Hand blieb dicht über der weißen Linie und berührte sie nicht, während sie um den Fuß des Bettes herumschlüpfte. Ista tauchte rasch in eine kauernde Stellung unter, und versteckte ihr Gesicht und ihr Haar unter dem weiten schwarzen Ärmel. Sie hörte, wie die Tür sich öffnete und wieder schloss, wie ein Riegel zuschnappte. Schritte, die auf Zehenspitzen davoneilten.
Ista spähte über das Geländer herab. Catti floss förmlich übers Pflaster unten; Seide flatterte hinter ihr her, während sie rannte und der ununterbrochenen Linie aus Licht folgte. Licht, das keinen Schatten warf und sich nirgendwo spiegelte. Sie und die Linie aus Feuer verschwanden unter dem Säulengang.
Was ist das für eine Zauberei, Cattilara? Ista schüttelte verblüfft den Kopf.
Ich sollte meinen schmachtenden Augen Nahrung geben. Vielleicht, wenn sie genug bekommen, werden sie mir … irgendetwas verraten.
Und wenn nicht, habe ich immerhin noch einen Krümel erhascht.
Die Angeln der Tür zu Illvins Schlafgemach waren gut geölt, wie Ista feststellte. Die reich geschnitzte Tür ließ sich leicht bewegen. Von hier aus konnte sie ein leises Schnarchen aus dem Nebenraum vernehmen, jenseits einer Innentür. Goram oder irgendein anderer Pfleger, der in Rufweite schlief, für den Fall, dass ein Wunder geschah und Illvin aufwachte und rufen konnte. Ista achtete sorgsam darauf, die dahintreibende Lichtlinie nicht zu berühren. Vorsichtig schlich sie um eine Truhe herum und huschte über die Teppiche an Illvins Bettkante. Nicht an dieselbe Seite wie Cattilara, sondern an die gegenüberliegende. Sie schob sanft die Decke nach unten, öffnete sein Gewand, wie Catti es getan hatte, und musterte ihn von oben nach unten.
Sie ignorierte erst einmal das Offensichtliche und betrachtete stattdessen das wirbelnde Licht, versuchte, irgendein Muster oder eine Botschaft darin zu erkennen. Am hellsten loderte es an seinen Lenden, im Augenblick zumindest, doch weitere Ansatzpunkte schimmerten über seinem Nabel, den Lippen, der Stirn und über dem Herzen, wobei Lippen und Stirn nur sehr schwach schimmerten.
Er war dünner als in ihrem ersten Traum, hohlwangiger, und die Rippen … sie hatte seine Rippen damals nicht gesehen, aber inzwischen traten sie deutlich hervor. Sie konnte die Linien seines Beckenknochens unter der Haut ausmachen. Sie fuhr mit dem Finger daran entlang, hielt inne.
Er bewegte sich, andeutungsweise: schwache, aber deutlich erkennbare lustvolle Zuckungen … oder womöglich nur der Widerhall einer solchen Bewegung, der durch die zitternde Linie aus weißem Feuer zurückfloss, wie eine Welle von einem entfernten Strand? Die Minuten vergingen. Sie konnte ihre Herzschläge zählen. Und die seinen, die schneller gingen. Zum ersten Mal bewegte er auch die Lippen und ließ ein leises Stöhnen hören.
Anspannung, ein Erzittern, ein helleres Auflodern von Licht, dann war es vorbei. Das kalte Feuer züngelte ungezügelt über seinen Leib, entströmte dann am stärksten dem Verband über seinem Herzen und pulsierte. Pumpte … was heraus?
Sein Fleisch wirkte wieder beunruhigend tot.
»Ist das nicht … merkwürdig?«, hauchte Ista.
Wissen oder gar Weisheit hatte sie noch immer nicht gewonnen. Doch in mancher Hinsicht war das, was sie soeben erlebt hatte, leicht zu verstehen. In anderer Hinsicht aber nicht.
Sanft schloss sie sein Gewand wieder und zog den Gürtel fest. Sie richtete seine Decke so, wie sie gewesen war. Musterte die dahintreibende Linie aus Licht. Erinnerte sich an ihren Traum.
Soll ich es wagen?
Ganz sicher
Weitere Kostenlose Bücher