Paladin der Seelen
er kein Brudermörder sein? Oder ein Viertel eines Brudermörders? Der hoffnungsvolle Ausdruck in seinem Gesicht war leicht zu deuten. Cattilaras Antlitz hellte sich auf bei diesem unerwarteten Bündnisangebot. Sie musterte Illvin mit neu erwachtem Interesse.
Ista zögerte. Ihre Sicherheit geriet ins Wanken. Ihre Unsicherheit, verbesserte sie sich bedrückt. »Ich glaube«, sagte sie, »das geht nicht, jedenfalls nicht für lange. So sehr der Dämon sich auch zurückhält, er muss nach und nach von Catti zehren, sonst wäre er inzwischen vergangen oder zumindest nicht mehr in der Lage, seinen Zauber aufrechtzuerhalten. Der Geistliche dy Cabon hat mir einmal gesagt, dass ein Dämon stets den Spieß umdreht gegen seinen Wirt, wenn er nur genug Zeit bekommt.«
»Wenn Arhys dadurch gerettet wird, gehe ich das Risiko ein!«, sagte Cattilara.
In scharfem Widerspruch sog Arhys den Atem ein und schüttelte den Kopf.
»Scheint mir auch fast das Risiko wert«, murmelte Illvin finster.
»Aber es ist kein Risiko. Es ist eine Gewissheit. Und Arhys stirbt am Ende doch, und Cattilara ist zerstört.«
»Aber wann , wie lange, das ist die Frage!«, hielt Cattilara dagegen. »Alles Mögliche kann passieren, bis … dann.«
»Ja, und einiges davon kann ich dir jetzt schon verraten«, meinte Ista. »Illvin hat auf dem Seminar des Bastards doch sicher die Theologie der Todeszauber gelernt. Ich habe schon mehrere Male Bekanntschaft damit gemacht. Arhys ist jetzt nicht lebendig . Der Dämon hat seinen losgelösten Geist gefangen und ihn zurückgeschickt, um im eigenen Körper zu spuken. Was in gewisser Hinsicht, nehme ich an, ein durchaus vertrauter und angenehmer Wohnsitz ist. Aber er ist abgeschnitten von seinem Gott, und gleichermaßen ist seine Seele den Kräften der Materie entrissen. Er kann kein Leben aufrechterhalten, außer mit dem, was er von Illvin stiehlt. Er kann kein Leben hervorbringen, erst recht nicht zeugen .«
Cattilara zuckte zusammen.
»Sein Schicksal«, fuhr Ista fort, »muss also das der verlorenen Geister sein: ein langsames Vergehen, Verblassen, die Erinnerung verlieren an sich selbst, an die Welt seiner Herkunft … das, was er liebt, und was er hasst, zu vergessen. Es ist eine Art Vergreisung. Ich habe solche blinden Geister schon dahinschwinden sehen. Eine stille Verdammnis, und gnädig – für sie. Weniger gnädig jedoch für einen Mann, der noch immer in seinem Körper steckt, nehme ich an.«
»Ihr meint, er wird den Verstand verlieren?«, warf Illvin entsetzt ein.
»Bei den fünf Göttern!«, stieß Arhys hervor. »Ich kann nicht so viel davon entbehren wie du.« Er versuchte, seinen Bruder anzulächeln. Der Versuch scheiterte kläglich.
Ista biss sich auf die Lippe und zwang sich, fortzufahren. »Ich habe eine Vermutung, warum der Dämon Illvin so wenig Zeit gibt, und warum ihre Anteile so ungleich sind. Ich nehme an, wenn Illvin wach ist, verliert der Dämon an Kraft. Mit jeder Stunde, die Illvin wach ist, verwest der tote Körper ein wenig mehr. Irgendwann werden auch andere die Verwesung bemerken.« Sie selbst mit ihrer gesteigerten Empfindsamkeit merkte es jetzt schon, seit sie wusste, worauf sie achten musste. »Ist dies das Schicksal, das Ihr für Euren hübschen Gemahl wünscht, Lady Cattilara? Ein seniler Geist, gefangen in einem verrottenden Leib?«
Cattilara bewegte die Lippen, nein, nein, sagte aber nichts, sondern drückt das Gesicht gegen Arhys’ Knie.
Götter, warum habt ihr mir diese abstoßende Aufgabe übertragen?
Umbarmherzig sprach Ista weiter. »Illvin stirbt auch, denn langsam wird ihm mehr Leben entzogen, als er ersetzen kann. Doch wenn Illvin stirbt, wird auch Arhys aufhören, sich zu bewegen. Beide Söhne derselben Mutter sind gemeinsam verloren. Sie hätte das nicht gewünscht, so viel kann ich versichern. Wie dieser üble Wettlauf endet, wer den Sieg davonträgt, kann ich nicht sagen. Doch ist nun einmal die typische Rechnung in dämonischer Magie: zwei Leben gegen eines, dann das eine abgezogen. Es bleibt für all Euer Leid nichts. Ist meine Gleichung in theologischer Hinsicht korrekt, Lord Illvin?«
»Ja«, flüsterte er, schluckte und gewann seine Stimme zurück. »Die Magie der Dämonen, sagen die Geweihten, schafft unausweichlich mehr Chaos, als sie jemals an Ordnung hervorbringt. Die Kosten sind stets höher als der Gewinn. Manche, die sich auf Dämonen einlassen, verteilen die Kosten auf andere und behalten den Gewinn für sich. Doch auf lange Sicht geht das
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