Paladin der Seelen
gehen, lasst uns gehen!«
Cattilara verstummte und sank keuchend zusammen. Dann wurde ihre Miene verschlagen. Sie sank zurück, schloss die Augen, öffnete sie wieder. Ihr Gesicht nahm erneut den erstarrten, sorgenvollen Ausdruck an. »Ihr seht, es hat keinen Zweck. Das dumme Ding kommt einfach nicht hervor, nicht einmal für mich. Lasst mich wieder aufstehen.«
Ista stellte fest, dass der lila Farbton immer noch den ganzen Körper erfüllte. Sie hielt Liss zurück, die mit enttäuschtem Gesichtsausdruck schon auf die Gräfin zuging. »Nein. Die Kreatur lügt. Sie ist immer noch hier.«
»Oh.« Liss kehrte an ihren Platz an der Wand zurück.
Wieder veränderte sich Cattilaras Miene. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut. »Lasst uns gehen! Ihr Dummköpfe, ihr habt keine Vorstellung, was ihr auf Porifors herabbeschworen habt!« Sie bäumte sich auf, zerrte mit erschreckender Kraft und Wildheit an ihren Fesseln, brachte den Stuhl zum Wackeln. »Flieht, flieht! Wir alle müssen fliehen! Verschwindet, solange ihr noch könnt! Sie kommt. Sie kommt. Lasst uns gehen, lasst uns gehen …« Cattilaras Stimme hob sich und explodierte in einem wortlosen Schrei. Der Stuhl kippte. Goram fing ihn auf.
Cattilaras Befreiungsversuche hielten mit unverminderter Heftigkeit an, obwohl ihr Gesicht von der Anstrengung purpurrot wurde und ihr Atem mit beängstigendem Rasseln immer schneller ging. War der Dämon verzweifelt genug, um durch Cattilaras Tod eine Möglichkeit zur Flucht zu suchen, wenn er die Gelegenheit dazu bekam? Ja, sagte sich Ista. Sie konnte sich vorstellen, dass der Dämon seinem Wirt das Genick brach, indem er ihn gegen eine Wand rennen ließ oder mit dem Kopf voran von einem Balkon stürzte. Cattilaras Körper mit Schmerzen zu drohen, war offenbar aussichtslos, selbst wenn Arhys … nun, er würde keine andere Möglichkeit haben, als still dabeizusitzen und es zuzulassen. Doch es war ganz offensichtlich ein vergebliches Bemühen.
»Also gut«, Ista seufzte. »Kommt zurück, Lady Cattilara.«
Die violette Flut schien innerhalb der Grenzen von Cattilaras zuckendem Körper hin und her zu schwappen. Die Färbung zog sich zusammen, flutete dann aber wieder hervor. War Cattilara nicht mehr imstande, die Herrschaft zurückzuerlangen? Das hatte Ista nicht erwartet. 0 nein. Und ich habe ihr versprochen, mich darum zu kümmern …
»Warte«, sagte Ista. »Der Gott hat mich gesandt, dieses Problem zu lösen. Gib Arhys frei, und ich werde dich freilassen.«
Würde er ihr glauben? Wichtiger noch – würde diese Drohung Catti so aufwühlen, dass sie wieder die Oberhand gewann?
Catti-der-Dämon erstarrte im Kampf und blickte Ista aus weit aufgerissenen Augen an. Die Seelensubstanz in den Kanälen strömte zu Illvin zurück. Plötzlich verschwand der entsetzte Ausdruck aus Arhys’ Gesicht, und an seine Stelle trat … gar nichts. Eine schlaffe, blasse Reglosigkeit. Er kippte zur Seite und lag da wie eine Stoffpuppe, oder wie ein Leichnam. Porifors strahlender Kämpfer wurde zu einem bloßen Kadaver, zu einer Masse Fleisch, so schwer, dass es zweier Männer bedurfte, sie fortzutragen.
Aber da war kein weißes Feuer, um seine Seele herauszureißen, wie Ista es bei den vorangegangenen Todesfällen gesehen hatte. Sein Geist trieb bloß davon, löste sich vom Leib, änderte sich ansonsten aber kaum. Namenloses Entsetzen durchfuhr Ista. Bei den fünf Göttern. Er ist schon verloren. Sein Gott kann ihn nicht mehr erreichen. Was habe ich getan?
»HOL IHN WIEDER HER!« Cattilara stürmte wütend hervor wie eine Dogge, die einen Stier an der Nase niederringt, und übernahm wieder die völlige Herrschaft über ihren Körper. Das violette Leuchten schnellte zu einer schützenden Kugel zusammen; die Kanäle erschienen wieder, und das Feuer floss hindurch. Tief atmete Arhys ein, blinzelte, bewegte den Unterkiefer, dehnte das Gesicht. Dann richtete er sich wieder in eine sitzende Haltung auf. Immer noch sah er halb betäubt aus.
Ista saß erschüttert da. Die List hatte bei Cattilara gewirkt, wie die Eingebung es ihr gesagt hatte. Doch sie hatte dabei etwas enthüllt, das sie selbst kaum verstand.
Keine Täuschungen mehr. Ich stehe das nicht länger durch.
Schwer atmend hing Cattilara in ihren Fesseln und starrte Ista hasserfüllt an. »Du abscheuliche alte Hexe. Du hast mich getäuscht.«
»Ich habe den Dämon getäuscht. Tut dir das Leid?« Sie gab Goram und Liss ein Zeichen, und sie lösten vorsichtig die Fesseln der
Weitere Kostenlose Bücher