Paladin der Seelen
werdet Euch um sie kümmern … Und das würde er, da war sie sicher. Wie konnte man von einem Mann, der Seife in der Satteltasche mit sich führte, weniger erwarten …? Ihre Schläfen pochten.
»Ich lege mich ein wenig hin, Liss. Ich habe Kopfschmerzen.«
»Oh.« Liss trat sofort an ihre Seite und bot ihr den Arm zur Stütze. Als Kammerfräulein mochte Liss ihre Schwächen haben, doch Ista musste zugeben, dass sie einen guten Höfling abgab. »Soll ich Eure Stirn in Lavendelwasser baden? Ich habe einmal erlebt, wie eine Dame das getan hat.«
»Danke. Das wäre wunderbar.«
Sie blickte auf Lord Illvin zurück, der reglos dalag, wieder ohne Leben und ohne Verstand. »Kümmere dich um ihn, Goram.«
Er verbeugte sich kurz und blickte sie in stummer Hilflosigkeit an. Dann fiel er plötzlich auf die Knie und küsste ihren Rocksaum. »Gesegnete«, murmelte er. »Erlöse ihn. Erlöse uns alle.«
Ista schluckte ihren Zorn herunter und brachte für ihn ein Lächeln hervor, nach dem ihr eigentlich gar nicht zumute war. Dann löste sie ihren Rock aus Gorams Griff und ließ sich von Liss hinausgeleiten.
15
A
n diesem Abend breitete sich ein Leichentuch über Porifors. Der Herr und die Herrin der Burg zogen sich zur vertraulichen Unterredung zurück, und sämtliche anstehenden Festlichkeiten wurden kurzerhand abgesagt. Ista empfand Erleichterung darüber, dass sie in ihren Gemächern bleiben konnte. Bei Sonnenuntergang, so berichtete Liss, wurden mehrere der wichtigsten Offiziere zu Arhys gerufen und kamen viel später mit sehr ernsten Gesichtern wieder zum Vorschein. Ista hoffte, dass der Graf klug genug war, die ursprüngliche Geschichte von Umerues Tod nicht anzutasten und dass er stattdessen einen anderen Grund fand, seine bald – oder rückwirkend? – tödliche Krankheit zu erklären. Aber da die Wahrheit zugleich auch die Gräfin zur Mörderin der jokonischen Prinzessin machen würde, konnte Ista sich nicht vorstellen, dass Cattilara allzu eifrig damit herausrückte. Oder das Arhys ein solches öffentliches Geständnis zugelassen hätte.
In dieser Nacht wurden Istas Träume nicht von Göttern oder Visionen heimgesucht, obwohl diese Träume auch so schon unangenehm genug waren: trübe, wirre Albträume, in denen entweder furchtbare Reisen auf geschundenen oder sterbenden Pferden vorkamen, oder in denen sie orientierungslos durch zerfallende Burgen von bizarrer Bauweise wanderte und aus irgendwelchen Gründen für deren Instandhaltung verantwortlich war. Als sie erwachte, fühlte sie sich kaum erholt. Ungeduldig wartete sie auf die Mittagsstunde.
Sie sandte Liss aus, um Goram zu unterstützen und ihren Besuch anzukündigen. Dann hielt sie Ausschau nach dem Tablett mit dem Essen. Eine Magd brachte es an Lord Illvins Tür; kurz darauf kam Liss hervor und schlenderte über die Galerie zu Istas Gemächern.
»Wenn Goram soweit ist, wird er uns als Zeichen die Tür öffnen«, berichtete sie. Sie war noch niedergeschlagen von den Wundertaten des vergangenen Tages, aber auch aufgekratzt. Und sie machte sich zunehmend Sorgen um Foix, so sehr Ista ihr auch versicherte, dass dieser inzwischen unter der Obhut des Erzprälaten von Maradi stehen musste. Viel tröstlicher war offenbar der Hinweis, dass Lady Cattilara nun schon seit über zwei Monaten einen sehr viel mächtigeren Dämon beherbergte, und das ohne sichtbare Beeinträchtigung. Ista wünschte sich nur, sie hätte selbst die Beruhigung empfunden, die sie so großzügig austeilte.
Endlich schwang die beschnitzte Tür an der gegenüberliegenden Seite der Galerie auf, und Liss geleitete Ista hinüber.
Illvin hatte sich im Bett aufgesetzt. Er war mit Tunika und Hosen bekleidet; sein Haar war zurückgekämmt und im Nacken zusammengebunden.
»Majestät«, sagte er und senkte den Kopf. Er schaute wachsam und ängstlich zugleich drein. Vermutlich hatten Goram oder Liss – oder beide – ihn schließlich doch von Istas Rang unterrichtet, in der kurzen Zeitspanne, die er wieder bei Bewusstsein war. »Es tut mir Leid. Ich schwöre Euch, ich habe um Hilfe gebetet, nicht um Eure Ankunft!«
Seine Stimme klang wieder undeutlich. Ista rief sich ins Bewusstsein, dass sie vielleicht einen ganzen Tag gehabt hatte, um all die Enthüllungen zu verarbeiten, während für Illvin nur eine Stunde vergangen war. Sie seufzte, trat an sein Bett und lenkte das weiße Feuer von der unteren Hälfte seines Körpers hinauf, um die obere Hälfte zu stärken. Er blinzelte und
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