Paladin der Seelen
– zurücknehmen kann, was eine Prinzessin getan hat. Er lud mich ein, seinen Herrn zu küssen. Und einen freudigen Augenblick lang dachte ich, ich hätte das Rätsel gelöst – dass es ein Kuss des Lebens sein sollte, wie im Märchen. Aber es ging nicht. Auch nicht bei Lord Arhys, als ich es später bei ihm probierte. Dann habe ich diese Versuche nicht weiter fortgeführt, was meinem Ruf in der Burg wohl zuträglich war. Offensichtlich bedeutete dieser Kuss irgendetwas anderes. Eine andere Gabe, oder Bürde.«
Ista holte Luft. »Ich sehe mich einer Verwicklung mit drei Bestandteilen gegenüber. Zwei davon können vielleicht gemeinsam gelöst werden. Wenn ich einen Weg finde, Cattilaras Dämon zu bannen, wäre Illvin befreit und die Gräfin gerettet. Doch welche Hoffnung habe ich für Arhys? Ich habe seine Seele gesehen. Sie ist verloren, oder ich kann meinem inneren Auge nicht mehr trauen. Es wäre schlimm genug, seinen Tod zu vollenden und ihn an seinen Gott zu verlieren. Doch noch schlimmer wäre es, seine Verdammnis zu besiegeln und ihn ins Nichts gehen zu lassen.«
»Ich weiß, dass manche Seelen, besonders nach einem erschütternden Tod, einige Tage verweilen, bis man ihnen mit Gebeten und Zeremonien während der Bestattung den Weg weist. Sie schlüpfen durch die Pforten ihres Todes, ehe diese sich ganz geschlossen haben.«
»Können also die Riten der Kirche ihm den Weg zu seinem Gott weisen?« Es war eine seltsame Vorstellung. Würde Arhys zu seiner eigenen Bestattung gehen und sich auf seiner Bahre niederlegen?
Dy Cabon verzog das Gesicht. »Drei Monate scheint mir sehr spät. Die freie Wahl ist die Bürde all derer, die in einer zeitlichen Existenz gefangen sind, und diese Wahl ist die letzte, die die Zeit für uns bereithält. Wenn diese Entscheidung für Arhys immer noch offen steht, könnte Euer zweites Gesicht das feststellen?«
»Ja«, räumte Ista zögernd ein. »Aber es gefällt mir nicht, was ich dabei sehe. Ich habe auf diesen Kuss gehofft, bin damit aber gescheitert.«
Ratlos kratzte er sich an der Nase. »Ihr sagtet, der Gott habe zu Euch gesprochen. Was hat Er Euch denn mitgeteilt?«
»Das ich hierher geschickt wurde, als Antwort auf Gebete, vermutlich auf die von Illvin. Der Bastard forderte mich heraus, mich nicht abzuwenden, indem er auf den götterverlassenen Tod meines Sohnes verwies.« Grimmig legte sie die Stirn in Falten, und dy Cabon zuckte ein wenig zurück. »Ich fragte Ihn, was die Götter mir überhaupt noch geben könnten, nachdem sie mir Teidez genommen haben. Arbeit, erwiderte Er. Seine Schmeicheleien waren gespickt mit beleidigenden Zudringlichkeiten, die einem menschlichen Verehrer einen raschen Ausflug ins nächste Schlammloch eingebracht hätten, durch die Hände meiner Diener. Sein Kuss auf meiner Stirn glühte wie ein Brandzeichen. Sein Kuss auf meinen Mund …«, sie zögerte, »erregte mich wie eine Geliebte, die ich ganz bestimmt nicht bin.«
Dy Cabon rückte weiter von ihr ab. Sein Lächeln war besorgt. Er wedelte mit den Händen wie mit Flossen und vollführte Bewegungen, die zustimmend und abweisend zugleich waren. »Allerdings nicht, Majestät. Niemand könnte Euch dafür halten.«
Sie funkelte ihn an und fuhr fort: »Er verschwand und ließ Euch zurück, um sein Bündel zu tragen. Sozusagen. Wenn das eine Prophezeiung war, bedeutet sie nichts Gutes für Euch.«
Er schlug die heiligen Zeichen. »Stimmt. Wenn der erste Kuss eine spirituelle Gabe war, sollte der zweite dies auch sein da bin ich mir ziemlich sicher.«
»Ja, aber er sagte mir nicht, was für eine. Bastard. Einer seiner kleinen Scherze, wie mir scheint.«
Dy Cabon blickte auf, als wollte er feststellen, ob es ein Gebet war oder ein Fluch. Er riet richtig, holte tief Luft und ordnete seine Gedanken. »Also gut. Aber etwas hat er gesagt. Er sagte Arbeit. Wenn es sich wie ein Scherz anhörte, war es vermutlich ziemlich ernst gemeint.« Vorsichtiger setzte er hinzu: »Wie mir scheint, wurdet Ihr wieder zur Heiligen gemacht, ob Ihr wollt oder nicht.«
»Oh, ich kann mich immer noch weigern.« Sie blickte finster drein. »Das sind wir alle, wisst Ihr. Mischlinge aus Geist und Materie. Die Vermittler der Götter in der Welt des Stofflichen, zu der sie keinen anderen Zugang haben. Türen. Er klopft an die meine und begehrt Einlass. Er tastet mit seiner Zunge vor, wie ein Liebhaber, der oben nachahmt, was er unten begehrt. Er will, dass ich mich öffne, mich ihm hingebe. Und lasst mich Euch eines
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