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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Körpers haben. Nach mehreren Jahren bleibt nur ein weißer Fleck zurück, der dann schwächerer wird, bis er schließlich ganz verschwindet. Doch die Zeitdauer ist sehr unterschiedlich. Ich nehme an, es hängt von der Stärke des Charakters ab, den die Person zu Anfang hatte.« Und vielleicht auch mit der Belastung ihrer schwindenden Existenz? Arhys war ein einzigartiger Fall. Die Anforderungen an seinen Geist wären selbst für einen lebenden Mann gewaltig gewesen. Wie konnte sein hungernder, einsamer Geist sie ertragen?
    Die Menschen mit großen Seelen geben großzügig von ihrem Überfluss. Doch selbst sie müssen irgendwann ans Ende ihrer Kräfte gelangen, ohne die stützende Hand … Ihr Verstand scheute davor zurück, diesen Gedanken zu Ende zu führen. Sie lenkte ihn in eine andere Richtung. Ihres Gottes.
    »Und wie sehe ich jetzt aus?«
    »Eure Farbe ist fast zur Gänze ausgebleicht«, erwiderte sie widerstrebend. »Und Eure Extremitäten werden bereits verschwommen.«
    Mit einer tastenden Hand rieb er sich übers Gesicht und murmelte: »Ah. Das erklärt manches.« Für einen Augenblick saß er schweigend da; dann schlug er leicht gegen sein Knie. »Ihr habt mir einmal gesagt, dass Ihr Ias versprochen habt, mit keiner lebenden Seele über das Schicksal meines Vaters zu sprechen. Hier bin ich nun, Majestät, und würde es gern wissen.«
    Ista stieß ein überraschtes Schnauben aus. »Für einen Toten gebt Ihr einen recht ansehnlichen Advokaten ab. Dieser Gegenstoß wäre ein guter Treffer geworden, wäre meine Behauptung nicht von Anfang an eine Lüge gewesen. Ias hat mir nie ein solches Versprechen abverlangt. Er redete damals kaum noch mit mir. Die Geschichte, die ich Euch erzählt habe, war lediglich ein Schild, um meine Feigheit zu verstecken.«
    » Feige ist nicht das Wort, mit dem ich Euch beschreiben würde, Majestät.«
    »Irgendwann lernt man es besser, als seine Wahlmöglichkeiten der Furcht zu überlassen. Mit dem Alter, mit jeder neuen Wunde und jeder Narbe lernt man es.«
    »Dann bitte ich Euch nun um die Wahrheit, als meine Grabbeigabe. Das erscheint mir erstrebenswerter als Blumen.«
    »Aaah.« Mit einem langen Seufzer stieß sie den Atem aus. »Ja.« Sie fuhr mit den Fingern über den glatten kalten Amethyst und die silberne Filigranarbeit der Brosche unter ihrem Busen. Dy Lutez hat es an seinem Hut getragen, an seinem letzten Tag. Ich erinnere mich. »Das ist das dritte Mal in meinem Leben, dass ich dieses Geständnis mache.«
    »Aller guten Dinge sind drei, sagt man.«
    »Was weiß man schon?« Sie schnaubte wieder, leiser diesmal. »Ich glaube das nicht. Jedenfalls, meine Zuhörer bei diesem Geständnis waren stets erlesen, wie es meinem Rang und dem Verbrechen geziemt. Ein wahrhafter Heiliger, ein ehrlicher Geistlicher, und der Sohn des Toten … so.« Sie hatte die Geschichte in Gedanken stets wiederholt. Eine weitere Probe war nicht nötig. Sie setzte sich gerade auf und begann:
    »Jeder weiß, dass Ias’ Vater, König Fonsa, voller Verzweiflung über den Verlust seiner Söhne und seines Königreichs unter dem Ansturm des Bündnisses des Goldenen Heerführers, seinen Feind durch einen Todeszauber niederstreckte und zum Ausgleich sein eigenes Leben gab.«
    »Das ist Geschichte, ja.«
    »Sehr viel weniger Menschen jedoch wissen, dass bei diesem Ritual etwas zurückblieb, ein schleichender Fluch, der Fonsas Erben quälte und alles vergiftete, was sie anfingen. Erst Ias, dann dessen Sohn Orico. Teidez. Iselle. Oricos unfruchtbare Ehefrau Sara. Und mich«, hauchte sie. »Mich.«
    »Die Regierungszeit König Ias’ galt als wenig glücklich für Chalion«, räumte er vorsichtig ein. »Auch nicht die von Orico.«
    »Ias, der Unglückliche. Orico, der Kraftlose. Diese Spitznamen, die das gewöhnlichen Volk ihnen gab, werden nicht einmal zur Hälfte der Wahrheit gerecht. Ias wusste von dem Fluch, wusste, woher er kam und wie er entstanden war. Aber selbst Orico hat er erst auf dem Sterbebett davon erzählt. Er teilte das Wissen allerdings mit Arvol dy Lutez, seinem Gefährten seit der Kindheit, seinem Marschall, seinem Kanzler, seiner rechten Hand. Vielleicht wollte er Arvol als Zange verwenden, um die Staatsgeschäfte Chalions zu führen, ohne sie mit dem Fluch zu belasten. Orico versuchte das später mit seinen eigenen Günstlingen. Nicht, dass diese List Erfolg gehabt hätte. Doch Arvol dy Lutez’ Ehrgeiz und seinen großen Energien sagte es sehr zu. Und seiner Überheblichkeit. Ich

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