Paladin der Seelen
holte Luft. »Und das war der Grund, dass ich Euren Vater ermordet habe. Wenn Ihr es wirklich wissen wollt.«
Arhys blieb lange Zeit still. Schließlich sagte er: »Ich glaube, Majestät, das ist kein Geständnis. Das ist eine Anklage.«
Sie lehnte sich zurück. »Gegen Arvol? Ja«, erwiderte sie langsam. »Das auch. Hätte er sich niemals freiwillig bereit erklärt, hätte ich nicht schlechter von ihm gedacht. Wäre er beim ersten Versuch gestorben, hätte ich geglaubt, dass diese Aufgabe die Kräfte jeden Mannes übersteigt, oder dass mein Plan fehlerhaft war. Aber dass er erst einmal zeigte, dass es tatsächlich möglich ist, und dann scheiterte … es brach mir das Herz. Arvol dy Lutez war ein großer Mann. Aber er war nicht groß genug.«
Arhys blickte in die Dunkelheit. Die Fackel war beinahe heruntergebrannt, doch am oberen Ende der Treppe leuchtete noch immer Liss’ Kerze. Sie saß dort, das Kinn auf die Hände gestützt, und kämpfte gegen die Müdigkeit. Der Page war eingeschlafen und lag dicht bei ihr an ihren Röcken.
»Wenn mein Vater überlebt hätte«, sagte Arhys schließlich, »meint Ihr, er hätte mich jemals an seine Seite gerufen?«
»Hätte er seine Seele weit genug geöffnet, um Erfolg zu haben, hätte sie Euch mit umfassen können. Diejenigen, die einen Gott aufgenommen haben, schrumpfen danach nicht wieder auf ihr früheres Maß zurück, meiner Erfahrung nach. Doch hätte er es niemals versucht … nun, er war nie so klein, dass er jeder Gefahr aus dem Weg gegangen wäre. Also, ich weiß es nicht.«
Er gab einen leisen Laut von sich, der schreckliches verborgenes Leid zum Ausdruck brachte. Dann blickte er zum Himmel auf und schätzte an den Sternen die Zeit ab. »Majestät, ich halte Euch vom Schlafen ab.«
Aber nicht umgekehrt. Worüber dachte er während der langen einsamen Wachen seiner schlaflosen Nächte nach? Doch Ista beherzigte seinen Rat und erhob sich. Er stand mit ihr auf; seine Rüstung klirrte.
Er nahm ihre Hand, deutete eine Verbeugung an und drückte kurz seine kühle Stirn auf ihren Handrücken. »Majestät, ich danke Euch für diese Grabkränze aus Wahrheit. Ich kann ermessen, was sie Euch gekostet haben.«
»Sie sind aus trockenem, bitterem Dornengestrüpp gewunden. Ich wollte, ich könnte Euch etwas Besseres an die Bahre legen.« Ich wünsche es von ganzem Herzen.
»Ich lege keinen Wert auf einen weicheren Kranz.«
Liss sah die beiden über den Hof zurückkommen, weckte den Knaben durch einen Stoß in die Seite und ging zum Fuß der Treppe, um Ista in Empfang zu nehmen. Arhys grüßte sie ernst und wandte sich ab, und sein schläfriger Page schlurfte hinterdrein.
Es dauerte lange, bis Ista einschlief. Im Morgengrauen glaubte sie, ein Poltern zu hören und leise Stimmen in einiger Entfernung. Doch ihre Erschöpfung ließ sie wieder aufs Kissen zurücksinken. Sie fiel in einen üblen Traum, in dem sie neben Lady Cattilara am Ehrentisch saß. Die Gräfin glühte schwach violett; sie bewirtete ihre Gäste mit Speisen, die Istas Leib anschwellen ließen, und ertränkte Istas Verstand in Wein, bis Ista sich in ihrem Stuhl zurücklehnte, weil ihre Glieder gelähmt waren und sie sich nicht mehr erheben konnte.
Erst ein viel lauteres Poltern an der Tür zum Vorzimmer weckte sie schließlich aus ihrer absonderlichen Traumgefangenschaft. Sie stellte fest, dass sie in ihrem eigenen Bett lag, dass ihr Körper nicht entstellt war, und dass sie sich wieder bewegen konnte. Erleichtert atmete sie auf. Allerdings fühlte sie sich alles andere als erholt. Leuchtende Linien schimmerten durch die Fensterläden, und Ista erkannte, dass es heller Tag war.
Liss’ Schritte waren zu hören, dann Stimmen: die von Foix, tief und eindringlich, und die von dy Cabon, schrill und aufgeregt. Ista hatte sich bereits aus dem Bett geschwungen und ihr schwarzes Kleid übergezogen, als die Verbindungstür zwischen den Gemächern sich öffnete und Liss den Kopf ins Zimmer steckte.
»Majestät, es ist etwas sehr Merkwürdiges vorgefallen …«
Ista schob sich an ihr vorbei. Foix war vollständig angezogen, mit blauer Tunika, Hosen, Stiefeln und Schwert. Sein Gesicht war vor Anstrengung gerötet. Dy Cabons weißes Untergewand saß schief, die Knöpfe vorn steckten nicht in den richtigen Löchern, und er war noch barfuß.
»Majestät.« Foix senkte den Kopf. »Habt Ihr in der Morgendämmerung etwas Ungewöhnliches gehört oder gesehen, bei Lord Illvins Gemächern oder auf der Galerie? Euer
Weitere Kostenlose Bücher