Paladin der Seelen
maßgeblichen Bediensteten ein Problem darstellte oder eher das Gegenteil. Tatsächlich wusste sie nicht einmal, ob ihre Kammerjungfer, die sie so hastig in ihre Dienste genommen hatte, überhaupt noch Jungfrau war. Die Reiterinnen im Kurierdienst achteten vermutlich darauf, dass sie nicht schwanger wurden, denn damit hätten sie ihren Lebensunterhalt verloren. Das bedeutete aber nicht notwendigerweise, dass sie in Liebesdingen enthaltsam waren, oder unschuldig, oder unwissend. Eher war das Gegenteil anzunehmen, denn Unschuld, die auf Unwissenheit beruhte, konnte sich nicht schützen.
Am Hofe König Ias’ hatte Ista unweigerlich auch einiges darüber gehört, wie Männer und Frauen – oder welche Geschlechter auch immer aufeinander trafen – ihren Spaß haben konnten, ohne eine Schwangerschaft zu riskieren. Ista wusste nicht, wie viele dieser Geheimnisse in den Schlafsälen der Mädchen beim Kurierdienst ausgetauscht wurden oder was ihnen die Frauen beibrachten, die sie beaufsichtigten und die in der Regel selbst einstige Botenreiterinnen waren. Nun ja, als Mädchen vom Lande und von einem Hof, der sich der Tierzucht widmete, war Liss ohnehin zweifellos besser über die wesentlichen Dinge aufgeklärt, als Ista es in einem ver gleichbaren Alter gewesen war. Doch in einer so klei nen Gruppe konnten Gefühle leicht einen ähnlichen Schaden anrichten wie körperliche Verletzungen.
Auch hatte Ista ihre Zweifel, ob die Brüder dy Gura Liss ernsthaft den Hof machen wollten oder bloß eine Verführung im Sinn hatten. Der Standesunterschied zwischen einem landlosen niederen Adligen und dem Kind eines wohlhabenden freien Bauern ließ eher auf Letzteres schließen – doch war der Unterschied nicht so groß, dass ernste Absichten undenkbar wären. Insbesondere, wenn eine Mitgift in Aussicht stand, was in Liss’ Fall allerdings zu bezweifeln war.
Dennoch hatte schon eine kurze Zeit in Liss’ Gesellschaft ausgereicht, um bei beiden Brüdern die Aufmerksamkeit zu wecken. Und das war kein Wunder! Das Mädchen war ebenso hübsch wie aufgeweckt, und die jungen Männer waren gesund und tatkräftig … Vielleicht war es nicht ratsam, allzu eifrig zu vermitteln und das Zerwürfnis zwischen Liss und Ferda beizulegen, sonst ersetzte sie womöglich die eine Komplikation durch eine andere, die sehr viel schwerer zu bewältigen war.
Trotzdem konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, ein wenig nachzubohren: »Was hältst du jetzt eigentlich von den Brüdern dy Gura?«
»Ferda war zu Anfang ganz nett, aber in letzter Zeit ist er ziemlich aufgeblasen.«
»Er nimmt seine Verantwortung sehr ernst, nehme ich an.«
Liss zuckte die Achseln. »Und Foix … es geht so, würde ich sagen.«
Wäre Foix wohl am Boden zerstört, wenn er dieses wenig begeisterte Urteil zu hören bekäme? Womöglich nicht. Ista brachte einen vorsichtigen Hinweis an: »Ich verlasse mich darauf, dass kein Mann meiner Wache dich belästigt. Eine Zofe muss stets auf ihren Ruf achten, damit auch die Tugend ihrer Herrin über jeden Zweifel erhaben ist.«
»Nun, anscheinend nehmen alle den Eid sehr ernst, den sie der Göttin geleistet haben.« Sie rümpfte die Nase. »Oder Ferda hat sie eigens ausgesucht, weil sie ebensolche Tugendbolde sind wie er.« Ein fröhliches Lächeln zauberte ein Grübchen auf Liss’ Wangen. »Was den guten Geistlichen betrifft – der hat allerdings keine Zeit verschwendet. Er hat mir schon während unserer ersten Nacht in Palma ein eindeutiges Angebot gemacht.«
Ista blinzelte überrascht. »Ach?«, bemerkte sie vorsichtig. »Nun, nicht jedes Mitglied der Kirche des Bastards hat … äh, diese spezielle Vorliebe. Das vergisst man allzu leicht.« Sie dachte sorgfältig darüber nach, wie sie ihre nächste Frage formulieren sollte. »Eine Beleidigung musst du nicht dulden, egal welches Amt oder welchen Rang der Betreffende einnimmt. Genau genommen darfst du keine Beleidigung hinnehmen, solange du in meinen Diensten stehst. Du sollest mich also in Kenntnis setzen, sobald so etwas geschieht.«
Liss warf den Kopf zurück. »Wahrscheinlich hätte ich beleidigt sein sollen, aber er hat sein Anliegen bezaubernd vorgebracht. Wirklich! Als ich ihn abgewiesen habe, hat er es mit Fassung getragen und sich dann an ein Zimmermädchen herangemacht.«
»Ich habe keine Beschwerden gehört!«
Liss kicherte. »Ich glaube nicht, dass das Mädchen Grund zu Beschwerden hatte. Als sie später aus ihrem Gemach kamen, hat sie herzhaft gelacht, dass ich mich
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