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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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schon fragte, was ich wohl versäumt habe.«
    Ista gab sich alle Mühe, ein gutes Beispiel an Ernsthaftigkeit zu geben und ihre Erheiterung nicht zu zeigen; diesmal aber scheiterte sie. »Ach du meine Güte!«
    Liss grinste und schaute wieder neidisch zu den Tänzern hinunter. Nach einer Weile konnte Ista es nicht länger ertragen und entließ sie, damit sie sich der Feier anschließen konnte. Liss schien erfreut über diese unerwartete Gunst, und Ista war ein wenig erschrocken, als ihre Zofe sich sogleich vom Balkon schwang, kurz mit einer Hand am Geländer hing, sich dann einfach aufs Pflaster fallen ließ und davoneilte.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, alleine zu sein. Einige Männer gingen unten vorbei und riefen Bemerkungen hinauf, die leicht anzüglich waren, aber nicht wirklich unfreundlich. Ista wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte, also beachtete sie die Zurufe gar nicht. Die Männer gingen weiter, nicht ohne sich dabei noch anzüglicher zu äußern. Liss hatte solche derben Späße mit heiterer Leichtigkeit erwidert, und die betrunkenen Verehrer waren abgezogen und hatten leise in sich hineingelacht. Das ist nicht meine Welt. Und doch hatte Ista einmal darüber geherrscht, scheinbar, aus entrückter Ferne in Cardegoss.
    Ferda dy Gura erschien auf dem benachbarten Balkon, fand Ista alleine vor und musterte einen Möchtegern-Ständchenbringer, bis dieser davonschlich. Er tadelte Ista dafür, dass sie ihre Begleitung fortgeschickt hatte, auch wenn er seine Worte zurückhaltend wählte. Dann verschwand er und kam wenig später unten aus der Tür des Gasthauses wieder zum Vorschein, um sich in die Menge zu stürzen und sich auf die Suche nach Liss zu machen. Als Ista die beiden wieder sah, hatten sie die Fäuste geballt und standen sich zornig gegenüber. Doch worüber sie so heftig stritten, erfuhr Ista nicht, denn beide verstummten, ehe sie in Istas Hörweite gelangten.
    Schließlich ging Ista zu Bett. Die Festlichkeiten hielten noch einige Stunden lautstark an, doch nicht einmal der Lärm konnte Ista noch wach halten.
     
    Spät in der Nacht schlug sie in einem Traum die Augen auf und fand sich erneut in jenem geheimnisvollen Burghof wieder. Diesmal war die Szenerie in Dunkelheit getaucht – war es dieselbe Nacht? Zumindest, so schien es, stand derselbe abnehmende Mond am Himmel, der auch über Vinyasca leuchtete. Er verbreitete ein kränkliches, fahles Licht. Doch die Schatten waren nicht undurchdringlich: Ein merkwürdiges Glühen hing in der Luft, wie ein Seil aus weißem Feuer. Es lief über den Hof und die Treppen hinauf und verschwand schließlich durch die schwere Tür am Ende der Galerie. Istas Traum – sie wagte es nicht, die leuchtende Linie zu berühren, obwohl sie ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie folgte ihr die Treppen hinauf, über die Dielen, durch die Tür.
    In dem Schlafraum war es dunkler als auf dem Hof. Kein Mondschein drang durch die geschlossenen Fensterläden, und doch gab es Licht: Die feurige Schnur schien geradenwegs vom Herz des Mannes aufzusteigen, der ausgestreckt auf dem Bett lag. Die bleichen Flammen züngelten über seinen ganzen Körper, als stünde er in Brand, stiegen flackernd und lodernd von seiner Brust auf und strömten davon … und in diesem Moment fragte sich Ista, ob sie hier wirklich ein Seil vor sich sah und nicht eher eine Rohrleitung. Und wenn es eine Leitung war – wohin führte sie? Ista blickte an der dahintreibenden Lichtschnur entlang und fühlte sich versucht, danach zu greifen, sich daran festzuhalten und sich mitziehen zu lassen zum anderen Ende, so wie ein Seil eine Ertrinkende aus dem Wasser ziehen konnte.
    Ihre Traumhand griff zu; der Lichtstrom brach ab, zerfiel unter ihren Fingern und perlte in glühenden Wirbeln auseinander.
    Der Mann auf dem Bett erwachte, schnappte nach Luft, fuhr halb empor. Erblickte sie. Streckte eine brennende Hand nach ihr aus.
    »Ihr da!«, stieß er hervor. »Werte Dame! Helft mir, um des Gottes willen …«
    Welchen Gottes? , fragte Ista sich unwillkürlich, von grellem Entsetzen gepackt. Sie wagte es nicht, diese Furcht einflößende, flammenumkränzte Hand zu ergreifen, so sehr diese sich auch nach ihr ausstreckte. » Wer seid Ihr?«
    Mit weit aufgerissen Augen verschlang er ihren Anblick. »Sie spricht!« Seine Stimme brach. »Verehrte Dame, ich flehe Euch an, geht nicht fort …«
    Ista riss die Augen auf und blickte in das Halbdunkel ihres kleinen Gastzimmers in Vinyasca.
    Es war still. Die ruhigen,

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