Paladin der Seelen
Stimme noch mehr, »… dass man Lord Illvin nackt zwischen ihren zerwühlten Decken fand, besinnungslos und blutend. Die Prinzessin war tot vor dem Fenster zusammengebrochen, als hätte sie noch versucht, zu fliehen oder um Hilfe zu rufen. Ein vergifteter Roknari-Dolch steckte in ihrer Brust. Und Lord Pechma, sein Pferd, seine Ausrüstung und die gesamte Kasse der roknarischen Gesandtschaft, die ihm anvertraut gewesen war – alles war aus Porifors verschwunden.«
»Oh«, sagte Ista.
Cattilara schluckte und rieb sich die Augen. »Die Männer meines Gemahls und die Diener der Prinzessin ritten gemeinsam aus und suchten nach dem Mörder, aber der war längst über alle Berge. Die Gesandtschaft wurde zum Leichenzug und brachte Umerues sterbliche Überreste zurück nach Jokona. Ill vin … kam nicht mehr zu sich. Wir sind nicht sicher, ob es an irgendeinem üblen roknarischen Gift lag, das an der Dolchklinge war, die ihn durchbohrte, oder ob er zu Boden stürzte und sich den Kopf anschlug, oder ob er sonst einen furchtbaren Schlag abbekam. Aber wir haben schreckliche Angst, dass sein Geist von ihm gegangen ist. Ich glaube, diese grauenvolle Vorstellung bedrückt Arhys noch mehr, als Illvins Tod ihn schmerzen würde, denn auf den Verstand seines Bruders hielt er immer große Stücke.«
»Und wie wurde das alles in Jokona aufgenommen?«
»Nicht so gut, auch wenn sie ihr Unheil selbst mitgebracht hatten. Die Lage an der Grenze ist seither sehr angespannt. Nun, für Euch war das jedenfalls von Vorteil, denn so waren alle Männer meines Gemahls zum Ausritt bereit, als der Bote des Herzogs von Tolnoxo hier eintraf.«
»Kein Wunder, dass Arhys so empfindlich ist. Das sind schockierende Ereignisse.« Undichte Dächer, allerdings. Ista konnte für Arhys Reizbarkeit nur dankbar sein, andernfalls hätte sie diese Nacht in Prinzessin Umerues Sterbezimmer verbringen müssen. Noch einmal überdachte sie Cattilaras schrecklichen Bericht. Grässlich! Aber es gab nichts Unheimliches daran. Keine Götter, keine Visionen, keine glosenden weißen Feuer, die nichts verbrannten und keine tödlichen roten Wunden, die aufklafften und sich schlossen, so wie ein Mann seinen Kittel auf- und zuknöpft.
Ich möchte mir diesen Lord Illvin gern ansehen, hätte sie am liebsten gesagt. Könnt Ihr mich zu ihm bringen? Und was für eine Ausrede hätte sie für eine solch krankhafte Neugier gehabt, für den zweifelhaften Wunsch, einen Mann auf seinem Krankenlager zu betrachten? Zumindest verspürte sie kein Bedürfnis, die Großen am Boden zu sehen. Am liebsten wäre sie auf ein Pferd gestiegen – nein, auf einen Wagen – und hätte sich weit von hier fortbringen lassen.
Inzwischen war es so dunkel geworden, dass sie keine Farben mehr unterscheiden konnte. Cattilaras Gesicht war nur noch als undeutlicher blasser Schemen auszumachen. »Es war ein langer Tag. Ich werde langsam müde.« Mühsam kam Ista auf die Füße. Cattilara erhob sich rasch und half ihr die Treppen hinauf. Ista biss die Zähne zusammen und ließ ihre Linke leicht auf dem Arm der jungen Frau ruhen, während sie sich mit der rechten Hand am Geländer empordrückte. Cattilaras Damen trotteten hinterdrein, immer noch in ihre Gespräche vertieft.
Als sie die Galerie erreichten, schwang die Tür am gegenüberliegenden Ende auf. Istas Kopf fuhr herum. Ein kleinwüchsiger, O-beiniger Mann mit kurzem, angegrautem Bart kam heraus. Er trug ein Durcheinander aus schmutziger Wäsche und einen Eimer mit geschlossenem Deckel. Als er die Frauen erblickte, stellte er seine Last neben der Tür ab und kam herbei.
»Lady Catti«, sagte er mit rauer Stimme und senkte den Kopf. »Er braucht mehr Ziegenmilch. Und mehr Honig.«
»Jetzt nicht, Goram.« Mit verärgertem Nasenrümpfen bedeutete Cattilara dem Mann, dass er gehen sollte. »Ich komme gleich vorbei.«
Er senkte wieder den Kopf, spähte dabei jedoch zu Ista hinüber, und seine Augen strahlten unter den dichten Brauen. Ob neugierig oder gleichgültig, konnte Ista im Halbdunkel kaum feststellen. Doch sie fühlte seinen Blick wie eine Hand auf ihrem Rücken, als sie sich nach rechts wandte und Cattilara zu den Gemächern folgte, die am anderen Ende der Galerie auf sie warteten.
Sie hörte den Mann davonstapfen und blickte sich noch einmal um, gerade rechtzeitig, um die Tür am anderen Ende noch einmal auf- und zuschlagen zu sehen. Ein orangefarbener Streifen Kerzenlicht flackerte auf und verschwand sogleich
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