Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
Dann sehen wir uns morgen«, sagte sie und legte auf.
Will wusste nicht, was er davon halten sollte. Die ersten Tests hatten eine Menge über ihn verraten, aber was würden sie dieses Mal zutage fördern?
Auf dem Weg zu seinem nächsten Kurs klopfte Will an Ajays Tür. »Ajay, ich bin's – Will.«
Er hörte, wie Sicherheitsschlösser entriegelt wurden, bevor sich die Tür einen Spalt öffnete und Ajay den Kopf herausstreckte. »Was gibt's?«
Will hielt das kleine Metallstück hoch. »Kannst du mir sagen, was das ist?«
Ajay betrachtete es argwöhnisch. »Woher hast du das?«
»Das erzähl ich dir später. Bitte sieh es dir an und sag mir dann, was du herausgefunden hast.«
»In Ordnung«, sagte Ajay und nahm das Objekt entgegen. »Sonst noch was?«
»Ich brauche später eine Live-Videoverbindung mit einem Kumpel in Südkalifornien«, erklärte Will. »Kriegst du das hin?«
»Hat er Zugang zu einem Telefon, mit dem Videodaten gestreamt werden können?«
»Davon gehe ich aus«, bestätigte Will.
»So gut wie erledigt«, versicherte Ajay und wollte die Tür gerade wieder schließen.
Will warf einen kurzen Blick auf Elises Zimmertür und beschloss, einem weiteren inneren Gefühl zu folgen. »Wann sind Elise und Ronnie Murso eigentlich letztes Jahr zusammengekommen?«
Erstaunt und mit großen Augen hielt Ajay inne. »Woher weißt du das?«
»Ich glaube, das ist der Grund, warum Elise immer so abweisend ist.«
»Sehr scharfsinnig, alter Knabe«, meinte Ajay beeindruckt. »Wie bist du darauf gekommen?
»Durch ihre Reaktion, als wir zum ersten Mal über ihn gesprochen haben«, verriet Will. »Bis später.«
RULAN GEIST
Zum zweiten Mal seit seiner Ankunft im Center fühlte Will sich, als hätte man ihn in tiefes Wasser geworfen. Genetik – Die Wissenschaft von Morgen aus heutiger Sicht. Achtzehn Schüler in Laborkitteln und Schutzbrillen arbeiteten in Zweiergruppen an langen Tischen.
Der Lehrer, Professor Rulan Geist, trug einen Kittel, der ihm bis auf seine schwarzen Stiefeletten hinabreichte und an den Staubmantel eines Cowboys erinnerte. Während er durch die Reihen schritt, erklärte er der Klasse, worum es im heutigen Unterricht ging: Spleißen von Genen und Extraktion der DNA bei einem Nematoden, einem winzigen, primitiven Wurm, den sie sezierten. Geist hätte ebenso gut Irokesisch sprechen können.
Der Professor war groß und massig, hatte lange Arme und dicke, breite Hände, die er entweder hinter dem Rücken verschränkte oder mit denen er unbeholfen gestikulierte. Er sprach mit tiefer, volltönender Stimme und einem leichten Akzent, vielleicht skandinavisch oder niederländisch. Geist war ein hässlicher Typ mit dunklen Ringen unter den Augen und einem großporigen, sonnengebräunten Gesicht, dessen untere Hälfte er mit einem sorgfältig gestutzten Knebelbart an Kinn und Oberlippe zu verschönern suchte. Der Bart sah aus, als würde er nach dem Rasieren innerhalb einer Stunde wieder nachwachsen. Geheimratsecken und ein spitzer Haaransatz sorgten dafür, dass sein kurzes, gewelltes, grau meliertes Haar aussah wie eine Rückenflosse. Borstige Haare wuchsen ihm aus den Ohren und buschige Brauen kräuselten sich wie Korkenzieher über seinen Augen. Eine Brille mit dicken viereckigen Gläsern saß auf seiner steil abfallenden Nase und vergrößerte seine dunklen, feucht schimmernden Augen, wenn er jemanden ins Visier nahm.
Und genau das machte er ein paar Mal mit Will. Will versuchte unterdessen, so zu tun, als helfe er seiner Partnerin, einem ernsten rothaarigen Mädchen. Ihr Name war Allyson Rowe und sie war höflich genug, Will nicht unter die Nase zu reiben, was für ein hoffnungsloser Fall er war. Geist lächelte Will jedes Mal freundlich an und schien seine Bemühungen zu schätzen, auch wenn sie ihn nicht überzeugten. Als er kurz vor Ende der Stunde ein letztes Mal an Wills Platz vorbeikam, legte er ihm kurz die Hand auf die Schulter, beugte sich zu ihm hinab und sagte: »Wir unterhalten uns nach dem Unterricht.«
Nachdem sich der Raum geleert hatte, nahmen Will und Geist auf den hohen Stühlen vor einem Labortisch Platz. Freundlich lächelnd hakte Geist seine Stiefel an der untersten Querstrebe des Stuhls ein und legte die Hände auf die Knie. Drahtige schwarze Haare wuchsen zwischen den Knöcheln seiner langen, dicken Finger.
»Naturwissenschaft ist wohl ein fremdes Land für Sie«, meinte Geist.
»In dem man eine fremde Sprache spricht«, gestand Will.
»Ja, gewiss. Aber es geht um
Weitere Kostenlose Bücher