Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
Zimmer?«, fragte Ajay. »Ich will dir was zeigen. Dir auch, Nick.«
»Was ist?«, blaffte Nick, der noch immer auf und ab lief.
»Ich brauche deine Hilfe«, teilte Ajay ihm mit. »In meinem Zimmer.«
Will nickte Ajay dankbar zu. Als die anderen verschwunden waren, setzte er sich vor Elise. »Was hat Ronnie gewusst?«, fragte er sanft.
Elises Augen weiteten sich überrascht. »Woher …?«
»Ich bin mir nicht sicher«, gab er zu. »Aber ich habe recht, oder? Ronnie wusste etwas darüber und er hat dir davon erzählt.«
Elise legte die Finger an die Schläfen und massierte sie, als hätte sie Kopfschmerzen. Das feine schwarze Haar hing ihr über die Augen. »Sie haben ihn ununterbrochen drangsaliert … Todd, Lyle und die anderen. Er war so schüchtern, jammerte ständig, weil er solches Heimweh hatte. Wir hielten ihn für einen hoffnungslosen Fall. O wie ›Opfer‹ stand ihm förmlich auf die Stirn geschrieben, wie ein Nummernschild. Dann begann er, mich anzuhimmeln. Total peinlich. Er spielte Flöte, schrieb Gedichte … nicht zum Aushalten.«
»Er hat sie für dich geschrieben?«
Elise zog eine verächtliche Miene. »›Wie misst man die Entfernung, die ein Lächeln zurücklegt?‹ Jetzt mal ehrlich: Sehe ich aus wie ein Mädchen, das Gedichte mag?«
Ihr Blick verriet sofort die Antwort. »Ja, das musst du echt gehasst haben«, sagte Will.
»Wir wussten, dass Ronnie brillant war, auf eine ziemlich verpeilte Art. Und lustig und selbstironisch, und das war … unerwartet. Er gewann erst an Selbstvertrauen, als er sein Projekt im Labor begann. Dann hörten sie sogar auf, ihn zu terrorisieren. Aber er hat uns nie verraten, woran er gearbeitet hat.«
»Nicht einmal dir?«
»Warum hätte er es mir sagen sollen? Wir waren schließlich nicht zusammen. Ich meine, wir haben viel Zeit miteinander verbracht und ich …« Elise sah, dass Will ihr das nicht abnahm. »Okay, okay, ja, wir sind uns nähergekommen. Aber gegen Ende des Schuljahres hat sich plötzlich irgendetwas verändert. Ronnie ist mir von einem Tag auf den anderen aus dem Weg gegangen.«
»Warum?«
Ihre jadegrünen Augen blitzten vor Schmerz und Wut. »Ich weiß es nicht. Ich habe versucht, es herauszufinden. Etwas über ihn, über mich, darüber, was nicht stimmte … einfach irgendetwas . Ich weiß nicht, ob du das schon mitgekriegt hast, aber irgendwie kann ich sehen, was Menschen empfinden.«
Will musste schlucken. »Allerdings, das habe ich gemerkt.«
»Aber von Ronnie habe ich nicht das schwächste Signal empfangen. Im Gegenteil: Dieser süße, warmherzige Trottel hat plötzlich einen eisernen Vorhang heruntergelassen. Und dabei wusste er Dinge über mich … Dinge, die ich noch niemandem zuvor erzählt hatte. Ich habe ihm vertraut und plötzlich hat er nicht mal mehr Hallo gesagt.«
Jetzt musste er äußerst behutsam vorgehen: ein falsches Wort und sie würde ihm keinen Ton mehr verraten. »Elise, was hat Ronnie gewusst?«, fragte Will sanft.
Sie warf ihm einen grimmigen, durchdringenden Blick zu.
Will versuchte, seinen Geist zu öffnen, damit sie in ihn hineinschauen konnte … um ihr zu zeigen, dass er ihr vertraute.
»Am letzten Tag vor den Ferien«, sagte sie schließlich, »als alle ihre Sachen für den Sommer packten, kam Ronnie mir auf dem Hof entgegen. Er hat mir dieses … süße, offenherzige Lächeln geschenkt, das mir sagte, dass er es ist, dass er sein Schutzschild abgelegt hat … und da konnte ich kurz in sein Inneres schauen.« Sie wandte den Blick ab.
Angestrengt versuchte Will, Augenkontakt mit ihr zu halten. »Was hast du gesehen?«
»Etwas, das ihm Angst machte und das er im Labor gesehen hatte. Etwas Dunkles und Furchteinflößendes, womit er nicht umgehen konnte.«
»Hat er dir gesagt, worum es dabei ging?«
Elise schüttelte den Kopf. »Er hat mich nur umarmt und meinte dann, falls ihm etwas zustoßen sollte, würde er einen Weg finden, es mir zu sagen … damit ich es verstünde. Und dann hat er mir eine Frage ins Ohr geflüstert: ›Bist du Erwacht?‹«
»Erwacht?« Das Wort jagte Will einen Schauer über den Rücken; er hatte es in letzter Zeit verdammt oft gehört. »Was hat er damit gemeint?«
Erneut schüttelte Elise den Kopf. »Keine Ahnung. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.« Sie schaute weg, tief verletzt, aber zu stolz, um zu weinen.
Will dachte angestrengt nach, was er tun sollte, bis ihm klar wurde, dass dieses Problem nicht durch Denken gelöst werden konnte. Dann erinnerte
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