Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
hinausging. Robbins bat Will, auf dem Sofa beim Kamin Platz zu nehmen. Ein Tablett mit frischem, in mundgerechte Stücke geschnittenem Obst und süßen Brötchen stand auf einem Tisch daneben. Rourke goss Kaffee ein und setzte sich Will gegenüber.
»Hast du die Formulare ausgefüllt, die ich dir gegeben habe?«, fragte Robbins.
Will fischte die Unterlagen aus seiner Tasche und reichte sie ihr. Während sie sie durchblätterte, bemühte er sich, nicht hinzusehen.
Rourke musterte ihn beiläufig. »In vielen Kulturen, darunter auch bei den hier beheimateten Oglala Lakota«, erklärte er, »gilt es als eine Art Fluch, wenn man jemandem eine ›interessante Reise‹ wünscht.«
»Ich muss zugeben, meine letzten vierundzwanzig Stunden waren tatsächlich sehr … interessant«, bestätigte Will.
Robbins schaute von den Unterlagen auf und nickte Rourke zu: Alles in Ordnung.
»Was möchtest du uns davon erzählen, Will?«, hakte Rourke nach.
ERZÄHL NIEMANDEM ETWAS .
Will wollte Dads Warnung beherzigen, aber er hatte auch das Gefühl, Rourke und Robbins eine Erklärung schuldig zu sein. Er war hier und – soweit er das sehen konnte – nur dank ihrer uneingeschränkten Hilfe noch am Leben. Aber die ganze Wahrheit – Dave, die Doppelgänger-Eltern, Gremlins und Spezialbrillen – würde nur dafür sorgen, dass er in einem Zimmer in der Klapsmühle landete, dessen Tür nur an einer Seite eine Klinke besaß.
Nr. 63: DIE BESTEN LÜGEN SIND DIE, DIE EINEN ANTEIL VON WAHRHEIT ENTHALTEN.
»Meine Eltern wollten, dass ich sofort hierherfahre. Sobald wie möglich. Heute. Weil sie glaubten, ich sei in Gefahr.«
Rourke und Robbins sahen einander besorgt an. Rourke beugte sich vor. »Welche Art von Gefahr, Will?«
»Das haben sie nicht genau gesagt, Sir. Aber gestern suchten Leute in unserer Straße nach mir – Leute, die wir noch nie gesehen hatten.«
»Beschreib sie mir.«
»Ich habe sie nur von Weitem gesehen. Männer in schwarzen Autos mit unauffälligen Nummernschildern.«
»Hast du irgendeine Idee, wer sie waren oder was sie wollten?«
»Nein, Sir.«
»War das, bevor oder nachdem wir uns in der Schule getroffen haben?«, fragte Robbins.
»Ich hatte sie schon einmal vorher gesehen, aber nur kurz. Sie haben hauptsächlich danach nach mir gesucht.«
»Haben deine Eltern die Polizei verständigt?«, wollte Rourke wissen.
»Ja«, bestätigte Will und interpretierte die Wahrheit so großzügig um, wie es eben ging. »Nachdem ich mich auf den Weg zum Flughafen gemacht hatte. Das war gestern Abend, als ich Sie angerufen habe, Dr. Robbins.«
»Deshalb war es so dringend«, folgerte Robbins. »Deine Eltern hatten das Gefühl, diese Leute würden eine Bedrohung für dich darstellen.«
Will nickte. Seine Kehle war zu trocken zum Sprechen. Er schenkte sich Kaffee nach und hoffte, sie würden nicht mehr allzu viele Fragen stellen.
»Hast du heute Morgen schon mit deinen Eltern gesprochen?«, fragte Rourke.
»Noch nicht, Sir.«
»Du musst ihnen Bescheid sagen, dass du sicher hier angekommen bist, Will. Und du willst doch bestimmt auch wissen, ob sie in Sicherheit sind.«
»Ja, natürlich.«
»Kannst du dir vorstellen, worum es bei dieser Sache gehen könnte?«, bohrte Robbins weiter. »Welches Interesse sie an dir haben könnten?«
»Keine Ahnung«, sagte Will und stellte dann die Frage, die er schon den ganzen Morgen im Kopf gehabt hatte: »Sie vielleicht?«
Rourke und Robbins sahen einander wieder an. Der Direktor schien sie nach ihrer Meinung zu fragen. Sie schüttelte den Kopf.
»Nein«, antwortete Rourke schließlich. »Was du uns da erzählst, ist mehr als beunruhigend, Will. Aber wir haben hier durchaus unsere Möglichkeiten. Ich bin selbstverständlich bereit, Nachforschungen über das Ganze anzustellen, wenn du glaubst, das sei hilfreich.«
»Danke, Sir.«
»Es tut mir wirklich leid, dass du das alles durchmachen musstest. Nicht gerade ein idealer Start. Der erste Tag eines neuen Schülers sollte wesentlich fröhlicher und unbeschwerter verlaufen.«
»Ich bin auf jeden Fall sehr froh, hier zu sein«, beteuerte Will.
Ganz ehrlich: Im Moment bin ich froh, überhaupt irgendwo zu sein.
»Und wir sind sehr froh, dich bei uns zu haben«, versicherte Rourke. »Aber das Wichtigste zuerst: Du kannst das Telefon in meinem Büro benutzen und zu Hause anrufen. Komm mit.«
Dr. Robbins stand ebenfalls auf und hielt Wills Unterlagen hoch. »Ich werde das hier beschleunigen und deine Aufnahme unter Dach und Fach
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