Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
bringen«, verkündete sie und marschierte in Richtung ihres Büros.
Will folgte Rourke in ein kleineres Büro nebenan. Schwere Ledersofas gruppierten sich um Wagenradtische mit Glasplatten vor einem Kamin, in dem ebenfalls ein einladendes Feuer knisterte. Vor einem Panoramafenster stand ein massiver Eichenschreibtisch auf einem Podest. Die Bronzestatue eines Indianerkriegers, der zusammengesackt auf seinem Pony saß, füllte eine Ecke des Zimmers aus. Sie war das Werk eines berühmten Künstlers, an dessen Namen Will sich jedoch nicht erinnern konnte. Zwei Gemälde hingen einander an den Wänden gegenüber: Porträts zweier großer, stattlicher Männer in Kleidern und Kulissen aus verschiedenen Epochen.
»Meine Vorgänger«, erklärte Rourke. »Thomas Greenwood, unser Gründer und erster Direktor, und Franklin Greenwood, sein Sohn.« Rourke deutete auf ein Tastentelefon auf seinem Schreibtisch. »Für ein Ferngespräch musst du die Neun vorwählen. Ich lasse dich dann mal allein«, sagte er und verließ den Raum.
Will fragte sich, ob jemand sein Gespräch mithören würde. Zumindest würden sie eine Auflistung all seiner gewählten Nummern haben und sie mit denen vergleichen, die er in seinen Unterlagen angegeben hatte.
Er wog das Risiko, bei einer Lüge ertappt zu werden, gegen die Möglichkeit ab, dass die Person, die zu Hause abhob, seinen Anruf bis zum Center zurückverfolgen konnte. Schließlich entschied er sich dafür anzurufen, dabei aber nicht länger als eine Minute in der Leitung zu bleiben. Er tippte die Nummer. Es klingelte zwei Mal, bevor eine ausdruckslose männliche Stimme antwortete, die er nicht kannte. Will stellte die Stoppuhr an seinem Handy.
»Bei West«, sagte die Stimme.
»Jordan oder Belinda West bitte«, verlangte Will und sprach eine Oktave tiefer als gewöhnlich.
»Wer ist da?«
»Mit wem spreche ich?«, fragte Will zurück.
»Ich bin ein Kollege von Mr West.«
Aber er klang nicht wie irgendein Kollege seines Vaters, den Will kannte.
»Kann ich ihm sagen, wer ihn sprechen möchte?«
»Supervisor Mullins vom Amt für Jugend und Familie in Phoenix, Arizona«, antwortete Will.
Der Mann hielt die Hand über die Sprechmuschel, wiederholte die Information für eine andere Person im Raum, und einen Augenblick später meldete sich eine Frau: »Belinda West.«
Erneut verspürte Will dieses zwiespältige Gefühl, als er die Stimme hörte. Sie war es und dann wieder doch nicht.
»Mom, sag jetzt nichts, hör einfach nur zu«, sagte Will mit seiner normalen Stimme. »Es geht mir gut, mach dir keine Sorgen. Ich bin in Phoenix …«
»Sie sagten irgendwas von Jugendamt. Steckst du in irgendwelchen Schwierigkeiten?«
»Es ist alles in Ordnung. Sie helfen mir nur. Wie geht es euch? Ist bei euch alles in Ordnung?«
»Nein, Will, wir sind krank vor Sorge um dich …«
»Wer war das eben am Telefon?«
Belinda zögerte kurz. »Jemand vom Büro deines Vaters hilft uns …«
»Wie heißt er denn?«
»Carl Stenson. Kommst du nach Hause? Oder sollen wir nach Phoenix fliegen?«
»Lass mich mit Dad sprechen.«
»Er schläft gerade.«
Das ist eine Lüge . Will schaute auf sein iPhone: fünfundfünfzig Sekunden. »Ich fliege nach Mexiko. Folgt mir nicht. Versucht nicht, mich zu finden. Ich rufe in ein paar Tagen wieder an«, ratterte er herunter, legte dann auf und rief bei der Telefonzentrale des Centers an, um sich mit der naturwissenschaftlichen Fakultät der University of California in Santa Barbara verbinden zu lassen. Eine Mitarbeiterin am Empfang nahm das Gespräch an.
»Hallo, ich arbeite für die Unizeitung«, erklärte Will. »Ich versuche, jemanden in Ihrer Fakultät zu erreichen. Carl Stenson. Ich glaube, er arbeitet mit Jordan West zusammen.« Vor seinem inneren Auge sah er, wie die Frau eine Liste durchging.
»Es tut mir leid, aber bei uns arbeitet niemand, der so heißt.«
»Sind Sie da absolut sicher?«, hakte Will nach.
»Ja. Möchten Sie eine Nachricht für Mr West hinterlassen? Er ist nicht im Haus …«
Will wollte schon auflegen …
»… aber die Polizei war vorhin hier und ich weiß, dass die Beamten mit ihm gesprochen haben.«
Will erstarrte. »Deswegen rufe ich an.«
»Sie meinen wegen des Einbruchs letzte Nacht?«
»Genau«, bestätigte Will und spielte mit. »In Mr Wests Büro, nicht wahr?« Als er Zurückhaltung im Schweigen der Rezeptionistin spürte, fügte er hinzu: »Das kann unter uns bleiben, wenn Sie möchten.«
»Die gesamte Arbeit von Mr West
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