Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
Vorwärtsbewegung an und riss sein Schild dann zurück und zur Seite – so als würde er jemandem, der sich gerade hinsetzen wollte, den Stuhl unter dem Hintern wegziehen. Lyles wütender Hammerschlag donnerte an ihm vorbei wie ein Güterzug, der ihn um nur wenige Zentimeter verfehlte.
Ein zarter Luftzug bewegte ein paar Strähnen von Brookes Haaren. An der Wand hinter ihnen verrutschte eine gerahmte Fotografe des Centers ein winziges Stückchen. Die Energie im Raum knisterte förmlich und löste sich dann schlagartig auf.
Will und Lyle standen da und starrten einander an, genau wie vorher. Während ihres Psycho-Jiu-Jitsus hatten sie kaum einen Muskel bewegt.
Lyle lächelte selbstsicher und zeigte seine Eckzähne. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass dir hier jemand etwas beibringen kann«, meinte er und legte den Vogel wieder in Wills Tasche.
Ein kurzer Ton erklang, der darauf hinwies, dass die Synchronisation von Wills iPhone mit seinem MacBook abgeschlossen war.
Lyle zog die Verbindungskabel heraus und legte die Geräte in einen Plastikkorb. »Sobald der Datentransfer erfolgt ist, wird dir dein neues Tablet in deine Unterkunft gebracht. Miss Springer wird sie dir jetzt zeigen.« Lyle nickte Brooke zu, die daraufhin die äußere Tür öffnete. Sie konnte den Raum gar nicht schnell genug verlassen.
Will schloss den Reißverschluss seiner Tasche und zwinkerte Lyle zu. »Man sieht sich auf dem Campus, Kumpel.«
Lyle antwortete erst, als Will bereits an der Tür war. »West. Ich will dir einen gut gemeinten Rat geben: Hier im Center sagt man, Probleme sind nur dazu da, um uns zu inspirieren, nach Lösungen zu suchen. Es wäre besser für dich, wenn du keine Inspiration für mich bist.« Mit diesen Worten verschwand Lyle in seinem Büro hinter der inneren Tür.
Will ging hinaus und folgte Brooke. Nach ein paar Schritten geriet er ins Taumeln und musste sich an der Wand abstützen. Er wurde von der gleichen Schwärze und Übelkeit erfasst wie am Flughafen, dieses Mal allerdings noch viel heftiger.
»Alles in Ordnung?«, fragte Brooke.
Er stöhnte und hielt sich den Kopf.
Brooke lehnte sich dicht neben ihm an die Wand, noch immer verängstigt. »Wie hast du das gemacht?«, flüsterte sie.
Wie viel von dem, was da drin vor sich gegangen ist, hat sie gesehen oder gespürt?, fragte Will sich.
»Wie hab ich was gemacht?«, flüsterte er zurück.
»Dich so gegen Lyle zu behaupten. Ich habe bis jetzt noch keinen gesehen, der das geschafft hat.«
Nr. 91: ES GIBT KEINE GRENZEN FÜR DAS, WAS EIN MANN AUF SICH NEHMEN SOLLTE, UM DAS RICHTIGE MÄDCHEN ZU BEEINDRUCKEN.
»Ich lass mich nicht gern schikanieren«, erklärte Will.
Brooke drückte ihm Nandos Handy in die Hand und er stopfte es in seine Tasche.
»Komm, lass uns nach oben gehen«, sagte sie und fasste ihn am Arm. »Deine Wunde blutet.«
WOHNGRUPPE G4-3
Da Brooke der Ansicht war, Will solle keine Treppen steigen, ließen sie sich von einem großen, rumpelnden Aufzug in den vierten Stock befördern. Ihretwegen riss Will sich zusammen, aber er fühlte sich, als hätte man ihm sämtliche Eingeweide ausgekratzt und ihn selbst in ein tiefes Loch geworfen.
Der Aufzug öffnete sich zu einer zentralen, lichtdurchfluteten Lobby, die mit bunten Sofas möbliert war. Von dort gingen Korridore zu den Zimmern ab, wie Speichen von der Nabe eines Rads. Brooke führte Will durch einen dieser Gänge, von dem zu beiden Seiten kürzere Flure abzweigten. Sie bogen in den letzten Flur auf der linken Seite ein und Brooke holte eine Schlüsselkarte aus der Tasche. Schließlich blieben sie vor einer weißen Tür mit roten, erhabenen Lettern stehen: G4-3.
»Vier Stockwerke in jedem Haus. Zwölf Wohngruppen pro Stockwerk, fünf Schüler pro Wohngruppe.«
Schnell hatte Will es ausgerechnet: 960 Schüler im Center .
Brooke zog die Karte durch ein Kästchen oberhalb der Türklinke, worauf ein kurzer elektronischer Warnton erklang. Die Tür sprang auf und sie betraten einen großen, achteckigen Raum mit breiten Oberlichtern, die alles in ein helles, freundliches Licht tauchten. Bequeme Sofas und dick gepolsterte Sessel in gedämpften Farben lockerten die strengen Linien der Architektur auf. Brooke führte Will an einen Esstisch mit fünf Stühlen vor einer kleinen Küchenzeile, die mit allem Nötigen ausgestattet war.
»Setz dich«, sagte sie und half Will auf einen Stuhl. »Ich bin sofort wieder da.« Dann verschwand sie durch eine der fünf Türen.
Will sah sich um. Einbauregale
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