Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)

Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)

Titel: Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
dass sie in den Schatten verschwanden. Irgendwo dort hinten flackerte lautlos eine Deckenleuchte.
    Will schlug kurz auf die Klingel, deren Läuten durch den leeren Käfig hallte. Ein paar Sekunden später hörte er ein rhythmisches Quietschen, als etwas am hinteren Ende des Gangs durch den Schatten rollte. Allmählich konnte Will erkennen, dass es sich um einen motorisierten Rollstuhl mit quietschenden Reifen und einem ungewöhnlichen Passagier handelte.
    Der Mann konnte nicht größer als 1,20 Meter sein und war offenbar durch irgendeine Muskelerkrankung verkrümmt. Er trug eine Kappe mit dem Logo des Centers, ein Sporttrikot, das mehrere Nummern zu groß war, und darüber eine Weste mit zahlreichen Taschen. Seine Arme wirkten ausgemergelt, aber er hatte große, ausdrucksvolle Hände. Mit der rechten Hand bediente er den Joystick zur Steuerung des Rollstuhls. Seine krummen Beine waren nach außen gespreizt und seine Füße steckten in nagelneuen blauweißen Nikes.
    Der kantige, übergroße Kopf des Rollstuhlfahrers hing leicht nach links und wackelte zittrig. Will konnte nicht sagen, wie alt er war. Unter der Kappe schauten keine Haare hervor; der Mann wirkte jung und alt zugleich. Auf dem Namensschild an seinem Hemd stand JOLLY NEPSTED, GERÄTEWART.
    »Ich weiß, was du gerade denkst«, meinte Nepsted mit hoher und leicht verzerrter Stimme.
    »Was denn?«, fragte Will.
    »Welchen Grund sollte der schon haben, fröhlich zu sein?«
    Will lachte, als er bemerkte, dass Nepsted ihn angrinste.
    »Sagen Sie's mir.«
    Nepsteds Hand glitt zu seinem Gürtel hinunter. Er zog ein elastisches Band mit einem Messingring hervor, an dem alle möglichen Schlüssel hingen. »Ich bin der Typ mit den Schlüsseln«, teilte er Will mit und ließ das Band wieder los, das daraufhin an seinen Gürtel zurückschnellte. Erneut grinste er breit.
    »Dann sind Sie der Typ, den ein Neuankömmling unbedingt kennenlernen muss«, meinte Will.
    »Will West«, schloss Nepsted.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Was glaubst du wohl, wie viele Neulinge wir um diese Jahreszeit bekommen?« Nepsted musterte ihn. »Schuhe: neuneinhalb, Taille: 29, Schrittlänge: 31, Sweatshirt: Medium.« Er drückte auf einen Knopf am unteren Ende des Joysticks und neben Will glitt eine Stahlschublade aus der Theke heraus, in der sich ein schwarzer, rechteckiger Gitterkorb befand. Will nahm ihn heraus und stellte ihn auf die Ablage.
    Im Korb befanden sich zwei Paar Laufshorts und farblich passende Trikots. Ein Dutzend Paar weiße Socken. Zwei neue graue Laufanzüge, bestickt mit dem Namen der Schule und dem Logo – der heruntergeklappte Helm des Paladins, dessen Augen wie glühende Lichtfunken durch die Schlitze im Stahl zu funkeln schienen. Für kaltes Wetter gab es einen weiteren Anzug, der mit Fleece gefüttert war. Alles genau in den Größen, die Jolly genannt hatte.
    Ganz unten lag ein Paar Adidas Avanti, ultraleichte Crosslauf-Spikeschuhe aus metallgrauem Mesh-Obermaterial mit drei königsblauen Streifen: die Laufschuhe, die Will sich immer gewünscht hatte. Schon als er sie in die Hand nahm, wusste er, dass sie perfekt passen würden.
    »Dein Spindschlüssel ist auch drin«, teilte Nepsted ihm mit.
    Will fand ihn in einer Ecke des Korbs: ein einzelner, an einem Drahtring befestigter Messingschlüssel mit der verblassten Nummer 419.
    »Kauf dir zur Sicherheit noch ein Zahlenschloss, wenn du nicht der vertrauensselige Typ bist. Unterschreibe bitte das Formular und wirf es dann wieder in die Schublade.«
    Will nahm ein Klemmbrett mit einer Quittung heraus, unterschrieb mit dem daran befestigten Kugelschreiber an der Stelle, die mit einem X markiert war, und legte das Brett dann zurück in die Schublade. »Der vertrauensselige Typ«, sagte Will. »Das höre ich in letzter Zeit öfter. Sehe ich aus wie ein vertrauensseliger Typ?«
    Jolly legte den Kopf auf die Seite. »Woher soll ich das wissen? Ich bin allein in einem abgeschlossenen Käfig. Sehe ich aus wie ein vertrauensseliger Typ?« Er drückte auf den Knopf an seinem Joystick, woraufhin sich die Schublade mit einem dumpfen, hallenden Geräusch schloss. Nepsted nahm die Quittung und stopfte sie in seine Weste.
    Während Will seine Sachen zusammenpackte, fragte er: »Woher haben Sie Ihren Spitznamen?«
    »Es ist kein Spitzname.«
    »Sie heißen wirklich Jolly?«
    »Nein, mein wirklicher Name ist Happy. Jolly ist nur mein zweiter Name. Happy Jolly Nepsted. Glücklich und fröhlich, aber nur innerlich«, erklärte Nepsted

Weitere Kostenlose Bücher