Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
Uhr: Er musste unbedingt in die Sporthalle, um den Coach zu treffen. Das Lauftraining hatte er jetzt mehr als nötig. Er lief nach draußen und sprintete über den Rasen zur Sporthalle. In seinem Kopf klang Elises Stimme nach: »Zeig dich. Vertraue jemandem.«
Jahrelang hatte man ihm beigebracht, niemandem zu vertrauen. Er war förmlich darauf konditioniert. Und jetzt sollte er sein Pokerface ablegen? Aber er war so lange auf der Hut gewesen, dass er nicht genau wusste, wen er darunter vorfinden würde.
Und nach allem, was er in den letzten beiden Tagen erfahren hatte, war er nicht einmal sicher, ob er sich selbst trauen konnte.
DIE SPORTHALLE
Die Sporthalle am äußersten Ende der Spiel- und Trainingsfelder war größer als ein Flugzeughangar. Das Gebäude aus robusten, verwitterten Ziegelsteinen wurde von schwarzen gitterartigen Gusseisen-Streben und imposanten Säulen gestützt, die sich um einen Platz aus Beton gruppierten. Der Baustil erinnerte Will an ein altes Baseballstadion, in dem Babe Ruth hätte gespielt haben können. LAUGHTON FIELD HOUSE, ERBAUT 1918 war in die Steine nahe der Eingangstür gemeißelt, aber auf dem Campus wurde die Halle von allen nur die Scheune genannt.
Vor dem Eingang stand eine lebensgroße Bronzestatue des Maskottchens der Schule – der Ritter in Rüstung, wie Will ihn vom Emblem des Centers kannte. Er stand leicht nach vorn gebeugt und bereit zum Angriff. Das kurze Schwert, der Schild und das Beil, das an seinem Gürtel hing, ließen ihn ziemlich bedrohlich aussehen.
Auf dem Schild war das Wappen zu erkennen, das im unteren Feld den Ritter zeigte, wie er sein Schwert auf den Hals eines unterlegenen Feindes richtete. Aber der gefallenen Figur auf dem Schild wuchsen teuflische Hörner aus dem Kopf und sie besaß einen gegabelten Schwanz – Details, die in den Abbildungen fehlten, welche Will bisher gesehen hatte. Und aus der Nähe betrachtet, wirkte die Rüstung des Ritters außerdem alles andere als mittelalterlich, eher glatt und eng anliegend wie eine zweite Haut. Auf einer kleinen glänzenden Messingplatte am Sockel stand THE PALADIN.
Will betrat das Gebäude. Vor ihm öffnete sich ein riesiger Raum, an dessen Decke kreuz und quer verlaufende Stahlträger zu sehen waren. Flügelfenster entlang der Dachlinie und runde, an langen Stahlkabeln aufgehängte Scheinwerfer spendeten Licht. Ein Kunstrasenplatz, umgeben von vier Laufbahnen, nahm die Hälfte der Fläche ein. Darauf trainierte gerade ein Lacrosse-Team. Die andere Hälfte setzte sich aus Basketball-Feldern mit Hartholzböden zusammen. Ausgedehnte Holztribünen auf Rädern waren ineinandergeschoben und stapelten sich an drei Seiten vor den Wänden. Auf den kleineren Plätzen fanden lebhafte Trainingsspiele statt.
Will folgte den Schildern zu den Umkleiden, ging durch eine Tür abseits der Spielfelder und dann einen Gang entlang, in dem es streng nach Sportsalben, altem Schweiß, Waschpulver und – von irgendwoher – nach Schwimmbad-Chlor roch. Gerahmte Schwarz-Weiß-Fotos von ehemaligen Schulmannschaften säumten die Wände: Football, Baseball, Basketball, Hockey und Fußball. Alle trugen den Spitznamen der Schule: »The Paladins«. Schließlich fand Will die Herrenumkleide und kam sich vor, als wäre er in die Vergangenheit gereist.
Reihen langer Holzbänke standen vor hohen, ramponierten Metallspinden mit Gittertüren auf einem Betonboden, der von jahrzehntelangem Gebrauch glatt und abgewetzt war. An der gewölbten Decke hingen Ventilatoren mit breiten Flügeln. Will entdeckte außerdem Toiletten, Duschen und eine offene Tür, die zum Waschraum führte; dieser war hellblau gekachelt und Stapel einfacher weißer Handtücher lagen dort bereit. Dann hörte er weiter vorne Schritte. Will hielt inne, als ihm klar wurde, dass sie zu Lyle Ogilvy gehörten. Lyle war allein und steuerte auf eine schmale Tür neben den Duschen zu. Er schaute sich rasch um und dann war er verschwunden. Merkwürdig .
Will ging an den Duschen vorbei und machte hinter der nächsten Ecke eine Trennwand aus weiß lackiertem Drahtgeflecht mit einem Schild aus, auf dem MATERIALRAUM stand. In dieses Drahtgeflecht eingebaut verlief eine Edelstahl-Theke, die bis auf eine Tischklingel auf Wills Seite und eines der schwarzen Telefone auf der anderen Seite vollkommen leer war. Ein schweres Schloss sicherte ein Tor links von Will. Die wabenartigen Wände hinter der Theke waren mit allen Arten von Sportgeräten gefüllt – Regale, die so weit reichten,
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