Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
wohlbehalten zurückgebracht. Noch tönt in ihren Ohren der Singsang der Winde, die Deinen Befehlen gehorchen, und sie schmecken auf ihren Lippen das Salz der Wellen, die Dein Wille kräuselt. Nimm als Opfer für Deine Güte den Vogel an, der Himmel und Wasser verbindet!«
    Eudore reichte ihr einen Käfig aus Weidengeflecht, und Phaidra entriegelte ihn. Das Spiel der Flöten setzte wieder ein und begleitete den Flug der weißen Möwe.
    Minos sprang als erster an Land. »Wir sind wieder zu Hause, der Göttin sei Dank!« rief er strahlend, und viele Hände winkten ihm zu. Ariadne drängte sich nach vorne. »Vater – endlich!« schluchzte sie und warf sich in seine Arme. »Versprich mir, daß ich nie wieder fortgeschickt werde!«
    Ohne sich um ihre Schwester zu kümmern, bückte sich Phaidra, nahm eine Hand voll rötlicher Erde und zeichnete dem Vater das Grußzeichen auf die Stirn. »Willkommen zu Hause«, sagte sie einfach.
    Bei ihren Worten löste sich Ariadne von Minos und strich, plötzlich ein wenig verlegen, ihr Kleid glatt. Dann sah sie neugierig wie die anderen Kreter zu den Fremden hinüber, die unsicher in einer Gruppe stehengeblieben waren.
    »Phaidras Gruß gilt auch euch«, sagte Minos laut und winkte sie heran. Zögernd kamen sie näher. »Die Insel der Großen Mutter schützt und ehrt jeden Gast, der ihren Boden betritt. Aber sie fordert auch Demut und Respekt von dem Fremden. Beginnt euren Einweihungsweg, indem ihr wie ich niederkniet und der kretischen Erde eure Achtung erweist.«
    Einer nach dem anderen sank auf die Knie; einige verneigten sich so tief, daß ihre Stirn den Boden berührte. Theseus blieb als einziger stehen. Angriffslustig schaute er erst in die Menge, dann zu Phaidra und Ariadne, die unverhohlen zurückstarrte.
    Gebannt sah Asterios ihren langen, stummen Blickkontakt. Hitze stieg in seinem Körper auf, vermischt mit einem dumpfen Unwohlsein, das ihm auf irritierende Weise vertraut erschien. Als der Fremde schließlich ihn fixierte, verstärkte sich seine Übelkeit. Unwillkürlich schloß er seine Augen und war schon bereit, ins Zentrum des blauen Lichts zu gehen, doch die laute Stimme des Königs verhinderte dies im letzten Augenblick.
    »Auch du wirst unsere Erde ehren, und wenn ich dich eigenhändig zu Boden drücken muß!«
    Theseus’ Lippen wurden weiß, und ein Zittern durchlief seinen Körper. Zunächst schien es, als würde er sich widersetzen, dann aber ließ auch er sich auf die Knie fallen und senkte seinen Kopf. Als er wieder aufschaute, waren seine Augen wie zwei blanke Spiegel.
    Asterios sah den Haß, der hinter ihrer undurchdringlichen Glätte brannte und fühlte sich abgestoßen – und im gleichen Atemzug magisch angezogen. Langsam begann er, sich auf den Athener zuzubewegen, die Arme vor dem Körper, als versuchte er, eine unsichtbare Gefahr zu bannen. Geistesgegenwärtig hinderte Ikaros ihn am Weitergehen.
    Niemand von den anderen schien seine Verwirrung bemerkt zu haben. Ariadne lief aufgeregt zwischen Minos und Deukalion hin und her und umarmte ihren Bruder, bis er sie freundlich beiseite schob. Eudore kümmerte sich mit Jesa und Aiakos darum, die jungen Athener in den wartenden Kaleschen unterzubringen. Allmählich begann die Menge sich wieder zu verlaufen, und die mittägliche Hitze trieb die Handwerker zurück in ihre Häuser und Werkstätten.
     
    Stundenlang lag Asterios zwischen Traum und Wachsein. Gedankenfetzen tauchten auf und glitten lautlos vorbei, Schattenbilder kamen und vergingen. Seine Konzentration schweifte ab, und hinter seiner Stirn wütete ein quälender Schmerz, der das blaue Licht bewachte.
    Als es dunkel wurde, stand er auf und ging die Stufen zum Baderaum hinunter. Niemand von der Dienerschaft war zu sehen, obwohl jenseits der Zimmertüren Klappern und geschäftiges Hantieren von den Vorbereitungen für das abendliche Fest kündeten. Nach einem kurzen Bad im großen Tonbottich fühlte er sich körperlich deutlich besser, seine innere Anspannung aber war unverändert.
    Ein Bild ließ ihn nicht mehr los. Deutlich sah er den blonden Athener mit den kalten Augen vor sich, der so lüstern und frech Ariadne und Phaidra angestarrt hatte, und seine quälende Unrast verstärkte sich.
    Er legte sich auf sein Bett, schloß die Augen. Es hatte keinen Sinn zu fliehen. Asterios war bereit, das blaue Licht zu empfangen.
     
    Die Sonne steht über einer grünen Landschaft, dicht bewachsen mit seltsamen Farnen und niedrigen Büschen. Er steht am Rand eines

Weitere Kostenlose Bücher