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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ernüchtert zog er sich zurück.
    Sie starrte ihn an, wollte ihn berühren und erneut mit Lippen und Fingern reizen.
    Er wich zurück. Der Zauber war verflogen, jede Erregung dahin. Wenn er nur wieder allein sein könnte!
    Sie schaute ihn fassungslos an, griff nach ihrem Schurz und floh aus dem Zimmer.
    Erst in diesem Augenblick fiel Asterios auf, wie sehr sie ihn an Hatasu erinnert hatte.

Wege in die Nacht
    Die Zeit der Stürme war endgültig vorüber. Jetzt, zu Beginn des Frühsommers, war das Meer ruhig und blau. Ein leichter Wind trieb sie nach Osten, wo sie in Zakros ihre Weihenacht erleben sollten. Minos hatte für die Reise der Mysten erstmals seine neuen Triakontoren eingesetzt, schnelle Segler mit dreißig Ruderern an jeder Schiffsseite. Danach begann erst ihre eigentliche Reise nach Phönizien, wo sie Erz und Zedernholz laden wollten, das sich besonders gut zur Verhüttung eignete.
    In Lyktos setzten sie zum erstenmal die Anker. Die Hafenstadt im Osten des Golfs lag an einer günstigen Stelle zwischen Bergen und Meer. Kornfelder wogten, der Raps stand hoch, und die Weinstöcke, die sich bis an die Nordausläufer des Gebirges hinzogen, würden bald reiche Trauben tragen.
    Inmitten der Stadt erhob sich ein gestufter Bau aus buntem Sandstein. Der Ostflügel mit seinen zu klein gewordenen Magazinen war abgerissen worden; die Grundmauern waren inzwischen neu gesetzt, aber bis zur Fertigstellung der Vorratskammern würde noch einige Zeit vergehen.
    Die Anspannung der ersten Tage war vorbei und die Stimmung innerhalb der Gruppe gelöst, sah man einmal von den Rebellen um Theseus ab, zu denen vier junge Männer und die dunkelhaarige, ein wenig stämmige Koronis zählten. Seit der Einschiffung schienen sie entschlossen, alles zu boykottieren. Aiakos hatte sich vorgenommen, ihren Protest zu ignorieren, bis sie ihr Ziel erreicht hätten. Er hielt nichts von drakonischen Maßnahmen, die ihren Trotz eher verstärken würden. Vielmehr verließ er sich auf die Wirkung der anstrengenden körperlichen Arbeit, die den Unterricht über Himmelskunde, Geographie und Navigation ergänzte. Ein paar heiße Tage an der Helling, wo die großen Schiffsleiber aus Pfahlwerk errichtet wurden, und sie würden ihre Verweigerungshaltung bald aufgeben.
    Die Verantwortung für den Reiseverlauf lag ganz bei ihm. Pasiphaë, seit der Ankunft der Athener meist schlechtgelaunt und abweisend, hatte die komfortabelste der Triakontoren für sich beansprucht. Selbstverständlich war auch im Palast der luftige Westfügel für sie reserviert. Nicht nur Glaukos, Xenodike und Phaidra waren mitgekommen; sogar Ariadne war vor der anstrengenden Reise nicht zurückgeschreckt. Sie würde die Gruppe der Mysten allerdings nicht bis nach Zakros begleiten. Pasiphaë hatte ihr einige Aufgaben für das hiesige Heiligtum der Göttin zugedacht.
    Asterios war nicht mit an Bord. Er hatte Pasiphaë gebeten, nachkommen zu dürfen; er hatte den dringenden Wunsch nach Stille und Einsamkeit. Sie hatte eingewilligt, ihm jedoch aufgetragen, bei dieser Gelegenheit nach verschiedenen Höhlen- und Quellheiligtümern zu sehen. Erst zur Sonnwendfeier wurde er in Zakros erwartet.
    Vor dem Altar im großen Hof des Palastes dankte Pasiphaë der Göttin für den günstigen Beginn der Reise. Dann erhob sie ihre Augen, und alle folgten ihrem Blick. Sie schauten hinüber zum festungsartigen Berg Dikte, unter dessen blauem Gipfel die Grotte der Großen Mutter lag. In ihr, so berichtete die Überlieferung, hatte Sie Ihren ersten Sohn geboren. Viele Erstgebärende stiegen den steinigen Weg hinauf, um dort Ihren Segen für eine glückliche Geburt zu erflehen.
    Andächtig zeichneten die jungen Kreter sich gegenseitig das heilige Zeichen auf die Stirn. Auch die meisten der Athener schienen beeindruckt. Nur die Rebellen um Theseus traten demonstrativ zur Seite.
    Wenig später wurde das Abendessen auf der Loggia im Obergeschoß serviert. Von dort aus hatte man eine gute Aussicht auf die Stadt und das Meer, das in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne golden aufleuchtete. Pasiphaë blieb der Mahlzeit fern; ihre Töchter und Glaukos saßen zwischen den Mysten, während das Essen für das Gefolge in einem Nebenraum angerichtet war.
    Theseus hatte hastig und lustlos gegessen und war sofort aufgesprungen, kaum daß sein Teller leer gewesen war. Immer wieder hatte er verstohlen zu dem anderen Tisch hinübergesehen, an dem Phaidra zwischen ihren Geschwistern saß. Schließlich war er wortlos

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