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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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was im Labyrinth passiert?«
    »Ja.« Er war überrascht, daß sie ausgerechnet jetzt darauf zurückkam.
    »Mein Bruder Asterios erwartet dich dort.« Ariadne ließ ein freudloses Lachen hören. »Er trägt die lederne Stiermaske und verwehrt jedem den Eintritt, der nicht als Eingeweihter kommt. Hüte dich vor ihm, Theseus! Er haßt dich.«
    Das war nichts Neues für ihn gewesen. Asterios und er waren von Anfang an Feinde gewesen. Welten trennten sie. Sie waren verschiedener als Tag und Nacht. Und dennoch hatten Ariadnes Worte etwas verändert. Seitdem Theseus davon erfahren hatte, war seine alte Abneigung in blanken Haß umgeschlagen. Auf einmal konnte er ihn nicht mehr ertragen, diesen Kreter, der sich ganz ungeniert zum Werkzeug der Weiber degradieren ließ. Ein Mann, der noch stolz darauf war, sich öffentlich weibischer als jedes Weib aufzuführen. Und dieser Schwächling brüstete sich damit, Hüter des ältesten Geheimnisses zu sein!
    Lange genug hatten die Kreter ihr Labyrinth benutzt, um Aigeus zu erpressen und attische Kinder in ihrem perversen Sinn zu formen. Theseus wurde so wütend, daß seine Beine sich verhedderten. Im letzten Augenblick fand er sein Gleichgewicht wieder und drehte sich empört um. Ein langer Lichterzug erstreckte sich bis zur nächsten Biegung. Es mußten Hunderte sein, die in der schwülen Sommernacht zur Heiligen Hochzeit pilgerten. Noch immer war es drückend heiß, und sie hatten gegen Schwärme von Mücken zu kämpfen. Vorne, direkt am Wasser, war es eine Spur erträglicher. Räucherbecken halfen gegen die Insektenplage. So viele Menschen waren gekommen, daß sie die Bucht füllten und sich bis hinauf zur ersten Steigung drängten. Lebhafte Stimmen erfüllten Bucht und Hügel. Und noch etwas anderes lag in der Luft, eine Spannung, wie er sie noch nie gespürt hatte, vibrierend und geheimnisvoll.
    Der Altar war mit Gaben überladen. Über Honigtöpfen und Amphoren türmten sich Brote, Früchte, Eier und Kuchen. Ein Stück entfernt war das Weidengestell aufgebaut, über das inzwischen ein geflecktes Fell gebreitet war. Die schlanke Frauengestalt daneben war von Kopf bis Fuß von einem weißen Tuch verhüllt. Sie drehte ihm den Rücken zu; Theseus konnte ihr Gesicht nicht sehen.
    Links von der künstlichen Kuh entdeckte er Pasiphaë. Mit ihrem roten Kleid, dem aufgelösten Haar, das schwarz und silbern über ihre Brüste floß, erschien sie ihm verlockend und abstoßend zugleich. Sie war erregt, das verrieten ihr lebhaftes Mienenspiel und ihre Hände, die keinen Augenblick ruhig blieben. Daneben standen Mirtho und ihre Töchter. Xenodike und Akakallis trugen kostbare Kleider und schweres goldenes Geschmeide.
    Obwohl Hemera den Mysten eingeschärft hatte, unter allen Umständen zusammenzubleiben, ging er langsam weg. Er war noch nicht weit gekommen, als ihre laute, ärgerliche Stimme ihn zurückbefahl. Den mit der Maske entdeckte er nirgends.
    Er sah nach rechts, wo die Männer standen, Minos, einige seiner Söhne und Daidalos. Der Baumeister lächelte ihm verstohlen zu. Theseus verzog den Mund. Diese neunmalklugen Kreter, dachte er verächtlich. Selbst im Palast der blauen Delphine, wo sogar die Wände Ohren hatten, war es nicht unmöglich, Geheimnisse zu haben. Er wurde sanft gestupst.
    »Deine Hand!« flüsterte Eriboia. Ihr Atem ging schneller. Er spürte ihre Aufregung. Seine Rechte ergriff Oikles, einer der kretischen Mysten.
    Die Trommeln setzten ein, begleitet vom klagenden Lied einer einzelnen Flöte. Junge Mädchen in weißen Gewändern gingen im Kreisinneren von einem zum anderen und setzten jedem einen Becher an die Lippen. Theseus versuchte, so wenig wie möglich zu schlucken. Aber sie kamen zweimal wieder. Er bekam sein vorgesehenes Quantum.
    Der Gesang begann als Summen, eine tiefe, kaum hörbare Schwingung, in die sich das Brechen der Wellen und das Surren der Insekten mischten. Vielstimmig stieg er empor, zu einem Sternenhimmel, an dem der Mond wie ein satter Kürbis leuchtete. Die warme Luft in der Kreismitte schien sich von Augenblick zu Augenblick mehr zu verdichten. Der kehlige Gesang steigerte sich, wurde voller. Funken flogen wie Glühwürmchen in der Nacht. Die Stimmen kletterten höher, und das seltsame Licht veränderte sich mit ihnen. Schimmernde Räder entstanden, die sich immer schneller drehten.
    Ein heller Ton vibrierte in seinem Gehörgang. Unterdrücktes Lachen kitzelte seine Kehle, sein Kopf war leer und merkwürdig leicht. Er verspürte Lust, sich

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