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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Er zog den Knebel heraus.
    Der andere keuchte und spuckte. »Ein schwarzer Schatten«, flüsterte er. Seine Stimme klang eingerostet. »Ein Riese, der mich von hinten gepackt hat. Und gewürgt. Ich bin gestorben. Viele, viele Male. Bin ich jetzt tot?«
    »Nein«, sagte Asterios. Mit dem verletzten Arm konnte er ihn nicht befreien. »Bekommst du genügend Luft?«
    »Bring mich hier raus«, flehte der andere. »Die Schatten werden wiederkommen und mich auffressen.«
    »Ich hole Hilfe«, versprach Asterios. »Habe nur noch ein wenig Geduld. Du wirst hier nicht vergessen.«
    Der Tag begann sich bereits zu neigen, als er die Tür mit dem Knie aufstieß. Das Licht war klar und so hell, daß er die Augen zusammenkneifen mußte. Er fühlte sich zu elend, um weiterzukriechen. Vor ihm erstreckte sich der Tanzplatz mit den steinernen Linien, die ihm tiefer und röter als sonst vorkamen. Eine frische Brise streichelte seinen malträtierten Körper. Er lebte. Aber er konnte seinen Arm nicht mehr heben. Kraftlos ließ er sich fallen.
    Hatasu hatte auf ihn gewartet und war sofort bei ihm. »Was ist geschehen?« fragte sie, als sie sich über ihn beugte. Ihr Gesicht war kalkweiß, und die Brauen bildeten eine strenge schwarze Linie.
    »Mein Arm«, stöhnte er.
    Sie griff nach dem Saum ihres Kleides und riß einen breiten Streifen ab. Notdürftig verband sie die Wunde. »Du brauchst sofort Hilfe. Mein Pferd steht dort drüben. Ich bringe dich in den Palast zurück.«
    »Nein«, bäumte er sich auf. »Nicht in den Palast. Sie dürfen noch nicht erfahren, daß …« Seine Stimme versagte.
    »Asterios!« sagte sie verzweifelt. »Sieh mich an! Ich bin es – Susai!«
    »Da drunten liegt noch einer«, flüsterte er. »Gefesselt. Gleich hinter dem Eingang. Geh und hol ihn heraus.«
    Hatasu wandte sich zur Tür und blieb überrascht an der Schwelle stehen. Sie berührte die Doppelschlange. »Da ist ein weißer Faden am Schwanzende angeknotet, der nach innen führt«, sagte sie. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Später! Erst den Jungen!«
    Schon kurz darauf war sie mit dem Mysten zurück. Als die Sonnenstrahlen sein Gesicht berührten, preßte er die Fäuste vor die Augen und begann zu weinen. »Ich bin blind! Die Riesen haben meine Augäpfel durchbohrt.«
    Hatasu strich zart über seinen rasierten Kopf. »Du gewöhnst dich wieder an das Licht«, sagte sie.
    »Wasser!« stieß er hervor. »Bitte!«
    Sie hielt einen Wasserschlauch an seine Lippen. Er trank so gierig, daß Kinn und Brust feucht wurden. »Mehr!« verlangte er, als sie absetzen wollte. Sie gab ihm zum zweiten Mal. Dann griff er nach ihrer Hand. »Geh nicht fort«, bat er heiser.
    »Wie heißt du?« fragte sie.
    »Ikelos«, brachte er hervor.
    »Gut, Ikelos. Mach deine Augen auf!«
    Asterios bewegte sich und röchelte.
    »Du siehst, wie schwer verwundet er ist«, sagte sie besorgt. »Wir müssen ihn so schnell wie möglich wegbringen, sonst stirbt er.« Sie sah den Mysten durchdringend an. »Du mußt jetzt stark und tapfer sein, Ikelos. Ich brauche deine Unterstützung, um ihn auf das Pferd zu hieven. Danach kannst du dich ausruhen. Ich schicke dir Hilfe, sobald ich kann.«
    Sie hatten beide schwer zu kämpfen, bis Asterios endlich oben saß. Da er viel zu schwach war, um sich allein zu halten, band Hatasu ihn mit Stricken an ihrem Leib fest, nachdem sie auf der gewebten Satteldecke saß. »Geht es so?« fragte sie.
    Er konnte nur keuchend sprechen. »Das Leben fließt aus mir heraus«, murmelte er. »Es tut nicht einmal besonders weh.« Seine Stimme wurde unruhig. »Theseus ist noch im Labyrinth«, sagte er kaum hörbar. »Der Verräter. Ich wollte ihn sterben lassen, aber ich konnte nicht …«
    »Sei still«, bat Hatasu. »Du mußt deine Kräfte schonen. Du erzählst mir alles, wenn deine Wunden versorgt sind.«
    Sein Kopf lag schwer auf ihrer Schulter, aber sie ließ es geschehen. Sie spürte seine Wärme an ihrem Rücken. Aber auch das Blut, das ihr Kleid durchtränkte. Er konnte tot sein, bevor sie die Stadt erreichten.
    Vorsichtig trieb sie das Pferd an. Die Leute, die ihnen begegneten, schauten erstaunt auf die Frau und den schwerverletzten Mann, der halb auf ihr lag. Wahrscheinlich würde sich die Geschichte in Windeseile in der Stadt verbreiten.
    »Brauchst du Hilfe?« fragte ein Bärtiger, der ihnen auf einem Pferd entgegen kam. »Seid ihr beraubt worden? Ein Überfall?«
    »Ich denke, wir schaffen es allein«, erwiderte sie vorsichtig. »Danke für dein Angebot.«
    Er

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