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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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mit der anderen schob er die Maske zurecht.
    Ein heißer Schmerz durchfuhr seinen linken Arm. Den, der niemals seine alte Kraft zurückerlangt hatte. Theseus hatte ihm das Messer mit voller Wucht in den Oberarm gestoßen, klaftertief, wie es ihm vorkam. Als er es wieder herauszog, begann es rot und warm zu sprudeln.
    Asterios schrie erschrocken auf. Preßte die andere Hand an die Wunde. Er brüllte.
    Der andere zuckte erschreckt zusammen. Wo steckte das Ungeheuer, zu dem diese Stimme gehörte?
    Asterios fühlte sich dem Ende nahe. Mit jedem Augenblick wurde er schwächer. Theseus war stärker. Und er hatte das Messer. Es gab nur noch eine Möglichkeit, ihn zu packen. Die Bilder. Die Bilder!
    Er konzentrierte sich, bis er das Gefühl hatte, sein Kopf würde im nächsten Moment zerspringen. Das blaue Licht war sofort da. Aber würde die Übertragung gelingen? Seine Schläfen hämmerten, seine Augäpfel traten aus den Höhlen.
    Ich bin der Stier, dachte er, und spürte, wie ein wenig von der alten Kraft in ihn zurückfloß. Der Weiße, der das Leben bringt. Der Schwarze, der den Tod bedeutet.
    Ich bin, der ich bin.
    Abermals brüllte er. Er fühlte sich stärker.
    Theseus trat den Rückzug an. Er verfolgte ihn, obwohl jeder Schritt unerträglich war. Er sah aus wie in Blut getaucht.
    Ich kann dich zermalmen, dachte er. Dich mit der Kraft meiner Schultern in Stücke reißen. Meine Hörner wühlen sich in deinen Bauch und reißen deine Eingeweide heraus, bis du zu meinen Füßen liegst. Dann zertrampeln dich meine Hufe, bis du jämmerlich in deinem Kot erstickst.
    Theseus stöhnte. Ein wehleidiger, mühseliger Laut, als ringe er verzweifelt nach Luft. Er wich weiter zurück. Seine Augen waren nicht mehr glatt.
    Asterios las die Furcht, die flockig in ihnen schwamm. Ich mache dich zu Brei, dachte er. Die Felsen trinken dein Blut. Nichts bleibt übrig von dir. Nicht einmal eine Schleimspur.
    Theseus wankte. Stolperte. Die Waffe schlug hart gegen einen Felsen. Fiel zu Boden.
    Beide bückten sich im gleichen Augenblick danach. Stießen mit den Schädeln aneinander. Theseus heulte auf, betastete seinen Kopf.
    Asterios schützte das Leder. Die Arme konnte er nicht bewegen. Statt dessen holte er aus und stieß ihm das Knie mit aller Wucht in den Unterleib.
    Theseus krümmte sich zusammen und schrie. Dann warf er sich erneut auf Asterios. Der Schmerz schien ihm neue Kräfte zu verleihen. Brüllend packte er mit beiden Händen die Maske und zog mit aller Kraft daran.
    Es war ein Gefühl, als reiße er ihm die Haut vom Gesicht. Asterios versuchte, sich zu wehren, aber wenn er die Hand vom Arm nahm, sprudelte das Blut so heftig, daß er sie sofort wieder auf die Wunde drückte.
    Theseus war es gelungen, auf die Knie zu kommen. Er hing halb über ihm, klammerte sich an die Maske und ließ sie nicht mehr los. Ein Ratschen, dann war einer der Lederriemen gerissen, der sie am Hinterkopf hielt.
    »Jetzt!« keuchte Theseus.
    Der zweite Riemen riß. Sein Gesicht war frei, ungewohnt leicht und kühl.
    »Da!« Speichel klatschte mitten auf seinen Mund. »Du Scheusal – das ist dein Ende!«
    Plötzlich war wieder das Messer in seiner Hand. Theseus schwang es über ihm und versuchte, es ihm in die Kehle zu stoßen.
    Er war zu schwach, um sich noch weiter zu wehren. Seine Hand rutschte aus der Wunde, und er fühlte, wie das Blut langsam, aber unaufhörlich strömte. Alles rote Bäche, dachte er, die dem Meer zufließen. Er dachte an Ikaros, an Ariadne, an Hatasu. An seine Mutter Merope. An alle, die er je geliebt hatte. Irgendwann würde er sich mit ihnen für immer vereinen.
    Auch der andere schien müde. Seine Stöße kamen nicht mehr präzise, sondern ritzten den Felsen links und rechts von ihm.
    Mit der rechten Hand tastete Asterios auf dem Boden herum. Fand einen mittelgroßen Feuerstein. Packte ihn. Als Theseus mit einem wütenden Zischen auf seine Kehle zielte, holte Asterios aus und schlug ihm den Brocken an die Schläfe. Der Eindringling sackte mit einem gurgelnden Laut in sich zusammen. Dann blieb er leblos liegen.
     
    Als er zu sich kam, war es vollkommen dunkel. Sein Kopf tat erbärmlich weh. Er hätte umkommen können vor Durst.
    Wo war er?
    Es dauerte lange, bis Theseus sich endlich zurechtfand. Er war im Herzen des Labyrinths.
    Und der andere?
    Schlagartig fiel ihm alles wieder ein. Der lange Weg durch die Nacht. Der Kampf. Die Maske.
    Er tastete unter sich. Spürte festes, glattes Leder. Seine Beute! Da war sie. Und sein

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