Palast der blauen Delphine
Königin sprechen. Allein. So schnell wie möglich.«
»Ist das alles, was du willst?« erwiderte Iassos leicht belustigt.
»Kannst du mir helfen oder nicht? Ich bin nicht in Stimmung für leere Versprechungen!«
»Ich habe es nicht nötig zu prahlen«, erwiderte Iassos gekränkt. »Steh auf, ich habe eine Idee! Du kommst mit zu mir, und wir werden uns um deine Verletzung kümmern.«
»Was schert mich der Kratzer? Ich muß Pasiphaë sprechen!«
»Du wirst sie sprechen, keine Angst! Wenn ich sie das nächste Mal besuche, nehme ich dich mit – als meinen neuen Lehrling! Nun, was sagst du?«
Asterios war erregt aufgesprungen. »Und wann wird das sein?«
»Bald. Sehr bald.« Iassos ordnete den Faltenwurf seines Mantels. »In drei Tagen will Pasiphaë ihre Vorräte auffüllen lassen, bevor sie nach Phaistos reist.« Mit gerunzelter Stirn blinzelte er zum Himmel. »Laß uns aufbrechen, bevor wir naß werden! Eine Bedingung muß ich allerdings stellen, bevor ich dich zur Königin bringe«, fuhr er fort, als die ersten Tropfen fielen und sie durch die dunklen Gassen zu seinem Haus liefen.
»Was meinst du damit?« Mißtrauisch blieb Asterios stehen.
»Ich will wissen, welcher Art dein Anliegen ist. Du mußt meine Vorsicht verstehen. Schließlich trage ich die Verantwortung.«
»Ich kann es dir nicht sagen«, erwiderte Asterios unglücklich und sah dabei sehr jung und verletzlich aus. »Ich würde damit mein Versprechen brechen. Was du wissen darfst: Ich soll der Königin etwas zurückbringen, was sie schon lange vermißt.«
»Ist das alles? Und was soll dieses geheimnisvolle Etwas sein?«
Asterios blieb stehen und kramte in seiner Tasche. »Nun gut«, sagte er schließlich. »Weil ich dir vertraue und du mir wirklich helfen willst.«
Er öffnete seine Faust. Golden schimmerte der Delphinring auf seiner ausgestreckten Hand.
»Aber das ist ja der Siegelring der Königin!« rief Iassos überrascht. »Woher in aller Welt hast du den?«
»Ich kann nicht mehr dazu sagen, dringe nicht weiter in mich!« entgegnete Asterios bittend und steckte den Ring zurück in seine Tasche. »Willst du jetzt dein Versprechen erfüllen?«
Der Parfumhändler nickte. Wer immer du auch sein magst, Hirte, dachte er, es scheint mir lohnend, dein Freund zu sein.
Alle Fenster waren weit geöffnet und ließen den Morgenwind herein. Im Licht des jungen Tages leuchteten die Farben der Wandgemälde, als seien sie frisch aufgetragen. Es war, als setze sich der erwachte Frühling vor den Fenstern bruchlos in der blühenden Landschaft im Inneren fort. Fast war man enttäuscht, daß die Lilien und hohen Riedgräser des Gemäldes im Windhauch nicht sanft zu schwanken begannen.
Pasiphaë hatte sich bei ihrem Eintritt von dem kleinen Tisch aus Ebenholz erhoben. Iassos ließ es sich nicht nehmen, trotz seiner sperrigen Bürde von einer Verbeugung in die nächste zu fallen. Seine ebenso bemühten wie ungelenken Demutsbezeugungen erheiterten sie sichtlich.
»Schluß damit!« befahl sie ihm lächelnd. »Sonst stürzt du am Ende noch mit all deinen Kostbarkeiten. Erhebe dich lieber und sage mir, wen du da mitgebracht hast!«
Asterios spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich. Iassos hatte ihn für diesen Anlaß mit einem feingewebten Umhang und neuen Stiefeln ausgestattet. In der ungewohnten Aufmachung kam er sich wie ein rausgeputzter Tanzbär vor. Seitdem sie den Palast betreten hatten, war er verstummt. Er hielt seine Augen gesenkt und starrte auf den Alabasterboden.
»Das ist mein neuer Lehrling«, antwortete Iassos schnell. »Spute dich, Junge, und bring die restlichen Töpfe herein! Ich habe neue Duftöle für die schönste aller Königinnen mitgebracht«, wandte er sich wieder an Pasiphaë. Genießerisch spitzte er seine Lippen und ließ seine Worte wie Konfekt auf der Zunge zergehen. »Rosen- und Lilienöl, Scharlachrot für blühende Wangen, Ockerpuder, und endlich wieder das Mandragoraöl, das dich schon einmal so begeistert hat!«
»Ich kann es kaum noch erwarten!«
»Nur noch ein wenig Geduld! Ich habe … nein, es ist doch nicht möglich! Ich habe das Wichtigste vergessen!« Kummervoll sah Iassos sie an. »Nur einen winzigen Augenblick! Mein Lehrling wird schon mit dem Auspacken beginnen.«
Er nickte Asterios aufmunternd zu, buckelte ungelenk vor Pasiphaë und war aus der Türe.
Er war mit ihr allein. Zarter Sandelholzduft entströmte ihrem Haar und dem gelben Gewand, das die Konturen ihres Körpers nachzeichnete. Als sie ihn
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