Palast der blauen Delphine
knapper Not dem Hungertod entgangen!« neckte sie ihn. »Weiterer Nachschub gefällig?«
Asterios klopfte auf seinen Bauch. »Ich kann nicht mehr! Niemals zuvor habe ich so guten Kuchen gegessen.«
»Du bist vielleicht ein Schmeichler!« Grübchen kerbten ihre Wangen. »Das sagst du nur, um dich über eine arme, alte Frau lustig zu machen.«
»Niemals würde ich das tun!« versicherte Asterios mit gespielter Inbrunst. »Und alt bist du auch nicht. Eine Frau in den besten Jahren, und eine schöne dazu!«
Glucksend stieg ihr Lachen auf. »Gut, daß dich mein eifersüchtiger Mann nicht hören kann! Galante Schmeicheleien schon am Morgen – da wird mir richtig warm ums Herz!« Sie stemmte die Arme in die vollen Hüften und musterte ihn eingehend. »Schade, daß ich nicht zehn Jahre jünger bin! Da hätte ich mir Chancen bei dir ausgerechnet. He, warum machst du so ein betrübtes Gesicht, wenn ich von der Liebe rede? Und jetzt wird er auch noch rot!«
Ihre Neckereien hatten Asterios tiefer getroffen, als er sich anmerken lassen wollte. »Hast du vielleicht auch etwas Kühles zu trinken?« wich er aus.
»Ich sehe schon«, murmelte sie, während sie ihm prüfenden Blickes einen Becher reichte. »Man wünscht nicht, neugierige Fragen zu beantworten. Ich kann dir hier leider nur mit Wasser dienen«, lächelte sie, als sie den Krug zurück in den Schatten stellte. »Wenn du lieber Wein trinkst, mußt du unsere Taverne besuchen. Du bist fremd in der Stadt?«
Er nickte. »Ich bin hier, um eine neue Stelle anzutreten. Und dann suche ich noch etwas. Ich meine, ich suche – jemanden.«
Innerlich schalt er sich für seine Redseligkeit. Er hatte wirklich Grund genug, seine Geschichte für sich zu behalten. Aber wie sollte er Ariadne finden, wenn er mit niemanden darüber sprach?
»Schon gut!« wehrte sie lachend ab. »Behalte deine Geheimnisse ruhig für dich! Aber wenn du einmal Lust auf Geselligkeit hast oder nach einem sauberen Nachtlager suchst, dann komm zu uns! Jetzt in diesen Tagen vor den Stierspielen, wenn die Akrobaten die Stadt unsicher machen, ist jeden Abend viel los. Aber vielleicht hast du ja auch Freunde oder Verwandte in Chalara, die dich aufnehmen können?«
»Ich kenne niemanden hier, nur …« Er biß sich auf die Lippen. Er mußte ja nichts Wichtiges verraten. Die Frau vor ihm sah so aus, als ob ihr kaum etwas in Herzensangelegenheiten fremd wäre. Und schließlich war sie Wirtin einer Taverne und kannte viele Leute.
»Ich suche ein Mädchen. Sie heißt Ariadne. Nicht viel kleiner als ich, mit braunem Haar und goldenen Augen. Sie muß hier in der Stadt wohnen!«
Die Frau zog die Nase kraus. »Ariadne? Und weiter? Weißt du nicht, wo das Haus ihrer Eltern steht? Oder wenigstens den Namen ihrer Mutter oder ihres Vaters? Wenn er Töpfer ist oder Schmied oder Schuster …«
»Das weiß ich nicht«, unterbrach er sie bekümmert. »Ich weiß nicht viel über sie.«
»Nur, daß sie Ariadne heißt und dir offenbar vollkommen den Kopf verdreht hat!« Sie wiegte bedenklich ihr Haupt. »Tut mir leid, aber das ist nicht genug, um sie unter den vielen hübschen Mädchen von Chalara zu finden. Bist du sicher, daß sie dich wiedersehen möchte?«
»Natürlich!« brauste er auf. »Ich weiß, daß sie mich liebt!«
»Kein Grund zur Aufregung! Wenn du so überzeugt davon bist, wirst du ihr sicherlich bald über den Weg laufen! Warum nicht in unserer Taverne?« Und schon setzte sie zu einem Loblied auf ihr Gasthaus an, dessen blaue Türen offenstanden und jeden Abend die Leute herbeilockten. »Jeder in Chalara kann dir den Weg zu uns zeigen.«
Eine Gruppe junger Frauen und Männer war zwischen den Ständen aufgetaucht. Ein großer Blonder setzte einem Mädchen nach, das sich schließlich hinter den Doppelsäulen des Brunnens in Sicherheit brachte. Die anderen kommentierten seine vergebliche Verfolgungsjagd mit Gelächter und bissigen Kommentaren.
Asterios starrte wie gebannt zu ihnen hinüber. Als er sich wieder zu Aurora umdrehte, glänzten seine Augen wie im Fieber. »Dort drüben!« stieß er hervor. »Wer ist das?«
»Wen meinst du?« Sie folgte seinem Blick. »Ach, das sind die Akrobaten, von denen ich vorhin gesprochen habe! Sie kommen beinahe jeden Tag in die Stadt. Aber wo rennst du denn hin? Warte doch!«
Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Ihr federnder Gang, ihr langes Haar, das bei jedem Schritt auf dem Rücken wippte. Ihr kurzes Kleid, in der Taille mit bunten Bändern gegürtet.
»Ariadne!
Weitere Kostenlose Bücher