Palast der blauen Delphine
an die beiden Frauen, die ihm alles bedeuteten, schlief er wieder ein.
Ariadne kehrte zurück, diese Nacht und die nächste, als der Mond immer runder wurde und sein sanftes Licht über die Hügelketten und die Weizenfelder der Ebene goß. Die klaren Tage waren Asterios schier endlos erschienen. Am ersten Abend, als die Sonne sank, steigerte sich seine Unruhe zu nervöser Besessenheit. Er wich nicht mehr vom Fenster und starrte in den Himmel, bis er das Geräusch ihrer Schritte hörte.
Zweimal noch machten sie die Nacht zum Tag und sperrten die Welt aus. Es gab nur noch das weißgekalkte Zimmer mit dem hölzernen Bett, Kerzenlicht und ihre beiden Körper, die sich gegenseitig mit Hingabe und Leidenschaft erforschten, als gelte es, in einer unbekannten Landschaft allmählich heimisch zu werden.
Als schließlich nach der dritten Nacht das graue Licht der Dämmerung den Tag ankündigte, seufzte Ariadne leise. Ihre Augen waren den seinen so nah, daß er winzige, wechselnde Wolken in der Iris zu sehen glaubte, die im helleren Gold des Untergrundes schwammen.
Immer will ich bei dir sein, dachte er. Bis zum Ende meiner Tage.
»Ich muß gehen«, sagte sie schließlich und versuchte zu lächeln. Ihre Augen aber blieben ernst.
In stummem Protest schüttelte Asterios den Kopf und hielt sie fest.
Ariadne machte sich los und setzte sich auf. »Doch, Astro, ich muß! Siehst du nicht, wie hell es schon ist? Ich muß gehen – und frühestens in drei Nächten können wir wieder zusammensein. Du weißt, daß morgen die Stierspiele beginnen und ich zusammen mit den anderen Akrobaten wohne. Wie eine große, glückliche Familie.« Sie verzog spöttisch ihren Mund.
Das würde ich mir auch wünschen, dachte Asterios und spürte erneut das Gefühl der Beklemmung, das ihm seit der Begegnung mit Pasiphaë so vertraut war. Endlich zu wissen, wohin ich gehöre.
Die Erinnerung an das maskenhaft verschlossene Gesicht der Königin und den seltsamen Ausdruck ihrer moosgrünen Augen ließ ihn mehrmals schlucken. Was würde in Phaistos geschehen? Was hatte die Frau, die ihm das Leben geschenkt hatte, mit ihm vor?
»Ich habe auch zu tun«, sagte er schließlich leichthin und vermied es, ihr in die Augen zu sehen. »Ich weiß noch nicht genau, wann ich nach Chalara zurückkomme. Es hängt nicht allein von mir ab.« Sie blickte ihn so erschrocken an, daß er sie sofort wieder in die Arme nahm. »Sei unbesorgt«, sagte er und preßte seine Lippen auf ihren Hals, »ich werde kommen. Du kannst dich darauf verlassen! Ich habe dieses Zimmer für eine Weile gemietet. Und wir können Botschaften bei den Wirtsleuten hinterlegen.«
Wie ein Kind schmiegte sie sich an ihn. »Halt mich, Astro«, flüsterte sie. »Ich weiß nicht warum, aber ich habe auf einmal Angst.«
Er schloß die Arme fester um sie. »Ich bin immer bei dir«, tröstete er sie liebevoll und versuchte mit aller Macht, gegen seine eigene Traurigkeit anzukämpfen. »Nichts kann dir geschehen. Niemand kann uns trennen.«
Die Straße mit den tief eingegrabenen Spurrillen schlängelte sich den Hügel hoch, auf dem die Palastanlage lag. Asterios schritt rasch aus und ließ bald die Ölbaumhaine hinter sich. Nach einem nächtlichen Regenguß war es noch angenehm kühl; er hörte Spottdrosseln singen und das vertraute Bimmeln der Ziegenglocken. Feldblumen sprossen am Wegrand, Sauerampfer und Pimpernelle, dazwischen immer wieder das Rot des Klatschmohns, das mit dem Scharlach der blühenden Granatäpfelbäume wetteiferte. Ein Luftzug von den Bergen wehte Geißblatt- und Weißbuchenduft herüber.
Als der Weg sich zur gepflasterten Straße erweitert hatte, hielt er inne und schaute hinab in die Messaraebene, die mit ihren wogenden Kornfeldern den Felsen von Phaistos wie ein windbewegtes Meer umschloß. Im Süden sah er die See glitzern, vor der sich die Felder wie ein Brettspiel in Grün und Gelb ausbreiteten. Asterios blickte hinüber zu dem felsigen Doppelhorn, unter dessen Gipfel die Höhle lag. Bevor ihn die Bilder jener Tage und Nächte wieder überwältigen konnten, ging er weiter. Nun hatte er Gelegenheit, die dreistöckige Fassade aus der Nähe zu bestaunen, der Holzbalken, Giebel und breite Simse die Gliederung gaben.
Vor dem Eingangstor standen zwei Wachen. »Wer bist du, und was willst du hier?« wurde er gefragt.
»Ich heiße Asterios«, antwortete er und horchte dem ungewohnten Klang des neuen Namens nach. »Die Königin erwartet mich.«
Bei seinen Worten löste sich
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