Palast der blauen Delphine
Ariadni!«
Sie blieb stehen, wandte sich um, wurde weiß, wurde rot. Ihre Augen sprachen eine eigene Sprache.
»Astro!«
Dann war sie schon bei ihm, zog ihn ein Stück die Straße entlang und drängte ihn in eine Toreinfahrt. »Warte hier«, flüsterte sie. »Ich muß noch einmal zu den anderen zurück.«
Sie wand sich aus seinen Armen, verschwand durch die Türe und war nach wenigen Augenblicken atemlos wieder zurück.
»Wieso müssen wir uns verstecken?« fragte er irritiert.
Zärtlich legte sie den Finger auf seine Lippen. »Du weißt doch, meine Mutter! Sie ist strenger als je zuvor. Sie hat mich einsperren und gewaltsam fortschaffen lassen!«
»Aber warum? Kannst du dir vorstellen, wie sehnsüchtig ich auf dich gewartet habe? Ich konnte es einfach nicht glauben, daß du nicht mehr kommen wolltest!«
»Ach, mein Liebster! Was glaubst du, wie ich gelitten habe! Natürlich wollte ich kommen, aber sie hat mich daran gehindert. Wahrscheinlich hat man uns belauscht.«
»Wer hätte das tun sollen? Und weshalb?« fragte er, während er ihr Haar mit Küssen bedeckte.
»Laß uns nicht länger über diese schreckliche Zeit sprechen!« bat sie. »Ich bin so glücklich, daß ich wieder bei dir bin! Aber was machst du hier in der Stadt?«
»Ich habe dich gesucht«, antwortete er lächelnd. »Und ich hätte dich gefunden – überall.«
Ihre Lippen berührten seinen Mund, küßten ihn zärtlich, fordernd. Asterios spürte, wie sein Körper reagierte. »Ich will mit dir zusammensein. Heute. Für immer«, flüsterte er in ihr Ohr, und sein Mund wanderte die Kurve ihres Halses hinab. »Ich möchte dich spüren. Dich lieben.«
Sanft schob sie ihn ein Stückchen weg. »Wir werden sehr, sehr vorsichtig sein müssen. Chalara hat tausend Augen und tausend Ohren. Wir brauchen einen geheimen Ort, wo wir ungestört sein können!«
»Ich habe eine Idee«, begann Asterios zögernd. »Kennst du die Taverne von Kaitos? Seine Frau vermietet dort Zimmer.«
»Das geht nur, wenn ich ungesehen zu dir kommen kann. Falls jemand meiner Mutter davon erzählt, schickt sie mich weit fort.«
Asterios suchte ihren Blick. »Ist es, weil ich nur ein Hirte bin?« fragte er und spürte, wie gerne er ihr die Wahrheit gesagt hätte.
»Sie will mich keinem geben, keinem, verstehst du!« sagte Ariadne bitter. »Mein Glück interessiert sie nicht. Sie hat eigene Pläne für mich, aber sie wird sich noch wundern!« Sie klang so verletzt, daß er sie gern getröstet hätte, aber dafür war jetzt keine Zeit. »Ich muß gleich zu den anderen zurück. Aber ich will versuchen, heute abend zu dir in diese Taverne zu kommen. Nimm dir dort ein Zimmer, das ebenerdig liegt und einen eigenen Eingang hat. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Und wenn ich wieder vergeblich auf dich warte?« Er wollte sie nicht gehen lassen, streichelte ihre Arme, ihre Wangen.
»Hab keine Sorge, Astro, ich werde kommen. Kümmere du dich um das Zimmer, und alles wird gut!«
Behende entglitt sie seiner Umarmung, warf ihm eine Kußhand zu und war verschwunden.
Asterios blieb noch eine Weile im schattigen Halbdunkel und versuchte, seine sich überstürzenden Gefühle zu ordnen. Dann strich er sein Hemd glatt und sah sich nach seinem Beutel um, der irgendwo auf dem Boden lag. Er setzte eine energische Miene auf und kehrte zu der Frau an der Feuerstelle zurück, die er zuvor so abrupt verlassen hatte.
»Ich nehme das Zimmer«, sagte er ohne weitere Vorrede. Aurora sah ihn mit großen Augen an. »Aber es muß ebenerdig sein.«
»Muß es das?« Sie lehnte sich genüßlich zurück. »Das klingt ja fast, als hättest du deinen verlorenen Schatz wieder gefunden!«
»Ist so ein Zimmer frei oder nicht?« fragte Asterios ungeduldig.
»Immer mit der Ruhe! Wenn du im voraus zahlst, sollst du bekommen, was du willst.« Sie machte eine vielsagende Pause. »Ebenerdig, mit zwei Türen, damit sie ungestört ein- und ausfliegen kann. Ich fange an, das Mädchen zu beneiden, dem dein Herz gehört! Geh zu meinem Mann und sag ihm, was wir vereinbart haben.«
Damit wandte sie sich dem nächsten Kunden zu.
In der Taverne von Kaitos und Aurora war alles ruhig. Asterios lag auf dem Bett und zählte die Augenblicke. Voll Unruhe erhob er sich, trat ans Fenster und lauschte. Dann wanderte er rastlos in dem kleinen Raum auf und ab. Schließlich legte er sich wieder nieder und schloß die Augen.
Plötzlich ein Schatten, ein Wispern.
»Astro?«
»Ariadne!«
Geschmeidig war sie durch das
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